Blut, Krebs und Infektionen

Erkrankungen des Bluts

Blutarmut

Blutarmut (Anämie): Mangel an rotem Blutfarbstoff, dem Hämoglobin und meist auch an roten Blutkörperchen(Erythrozyten). Die Blutarmut ist die häufigste Bluterkrankung überhaupt, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Es gibt drei Ursachen für den Mangel an roten Blutkörperchen: eine zu geringe Bildung, einen zu starken Abbau oder einen Verlust durch eine Blutung. Die geringe Bildung ist der häufigste Grund, meist bedingt durch einen Eisenmangel (80 % der Fälle). Diese Eisenmangelanämie lässt sich leicht durch die Einnahme von Eisentabletten beheben. Für die restlichen 20 % der Fälle kommen zahlreiche Ursachen in Frage: von chronischen Erkrankungen über Hormonstörungen oder Vitaminmangel bis hin zu erblichen Erkrankungen, Vergiftungen, Autoimmunerkrankungen und Blutungen. Die Therapie und Prognose variieren je nach der auslösenden Ursache.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Müdigkeit, Leistungsknick, Schwindel
  • Blässe der Haut und Schleimhäute
  • Herzklopfen und Atemnot bei körperlicher Anstrengung
  • Zusätzliche Begleiterscheinungen je nach Grunderkrankung, z. B. starke Regelblutungen

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten zwei Wochen bei uncharakteristischen Beschwerden, die zur Blutarmut passen

In den nächsten Tagen, wenn zusätzlich schon bei leichter körperlicher Anstrengung Herzklopfen, Atemnot oder sehr häufiges Schwindelgefühl auftreten

Die Erkrankung

Vorkommen

In Deutschland haben etwa 10 % der Bevölkerung eine Blutarmut, bei den Über-85-Jährigen sogar mehr als 20 %. Weltweit betrifft die Blutarmut ca. 1,9 Milliarden Menschen, besonders häufig Kinder und Frauen in Afrika.

Einteilung

Abhängig von der Grunderkrankung wird die Blutarmut in drei Gruppen unterteilt:

  • Blutarmut durch eine verminderte Bildung funktionstüchtiger roter Blutkörperchen
  • Blutarmut durch einen gesteigerten Abbau roter Blutkörperchen
  • Blutarmut durch einen Blutverlust

Verminderte Bildung funktionstüchtiger roter Blutkörperchen

Diese Gruppe macht den Löwenanteil aus. Die roten Blutkörperchen werden in ausreichender Menge im Knochenmark gebildet - vorausgesetzt, es sind genügend Baustoffe vorhanden. Wenn es an einem dieser Ausgangsstoffe (z. B. Eisen, Vitamin B12) mangelt, werden zu wenig oder funktionsgestörte Blutkörperchen gebildet. Man spricht von einer Anämie durch Erythropoesestörung (Bildungsstörung roter Blutkörperchen). Dahinter stecken:

  • Mangel an Eisen. Meist liegt der Engpass beim Eisen, das für die Bildung des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) unverzichtbar ist. Diese Eisenmangelanämie macht allein 80 % aller Fälle von Blutarmut aus. Der Eisenmangel ist im Erwachsenenalter oft Folge von chronischen Blutverlusten, etwa durch zu starke Regelblutungen bei Frauen oder ständige Sickerblutungen aus Magen oder Darm bei Magen-Darm-Geschwüren bzw. -tumoren. Auch wer zu wenig Eisen mit der Nahrung aufnimmt, kann eine Eisenmangelanämie bekommen. Frauen sind dabei besonders gefährdet, denn sie verlieren jeden Monat durch die Periode Blut. Bei schwangeren Frauen kann sich der Eisenbedarf sogar verdoppeln. Auch Blutspender*innen benötigen mehr Eisen. Seltener sind Darmerkrankungen oder Darmoperationen der Grund für einen Eisenmangel. Dann ist nicht die Zufuhr, sondern die ungenügende Eisenaufnahme aus dem Darm das Problem.
  • Auch bei vielen langanhaltenden Entzündungen oder Tumoren ist der Eisenhaushalt gestört. Bei dieser Anämie der chronischen Erkrankung besteht allerdings kein Eisenmangel, sondern das ausreichend vorhandene Eisen wird nicht richtig in die roten Blutkörperchen eingebaut (Eisenverwertungsstörung).
    • Da der Eisenmangel so viele Auslöser haben kann, ist er keine Diagnose, mit der man sich zufriedengeben darf, sondern ein Symptom, dessen Ursache geklärt werden muss.

Wie die Abbildung zeigt, entspricht die tägliche Eisenaufnahme in etwa der täglichen Eisenausscheidung – eine allzu große Reserve gibt es im Eisenhaushalt also nicht. Daher führt bereits eine verhältnismäßig geringe Steigerung des Eisenverlusts oder des Eisenbedarfs bei längerem Bestehen zu einer Eisenmangelanämie.

Wie die Abbildung zeigt, entspricht die tägliche Eisenaufnahme in etwa der täglichen Eisenausscheidung – eine allzu große Reserve gibt es im Eisenhaushalt also nicht. Daher führt bereits eine verhältnismäßig geringe Steigerung des Eisenverlusts oder des Eisenbedarfs bei längerem Bestehen zu einer Eisenmangelanämie.

  • Vitaminmangelanämie. Eine weitere Ursache für die zu geringe Bildung von roten Blutkörperchen ist der Vitaminmangel. Bei einem Vitamin-B12- und/oder Vitamin-B9-Mangel (Folsäuremangel) reifen die Vorstufen der roten Blutkörperchen im Knochenmark nicht richtig heran. In der Folge funktionieren viele der roten Blutkörperchen nicht richtig. Weil die roten Blutkörperchen dann auch ungewöhnlich groß sind, heißen diese Formen der Blutarmut auch megaloblastäre Anämien (mega = groß; Blast = Vorstufe einer Zelle).
    • Die Ursache für eine Folsäuremangelanämie ist eine zu geringe Aufnahme von Folsäure. Das passiert zum Beispiel, wenn man sich nicht ausgewogen ernährt. Besonders oft davon betroffen sind Menschen, die viel Alkohol trinken. Ein erhöhter Folsäurebedarf besteht auch in der Schwangerschaft, bei älteren Menschen und bei der Einnahme bestimmter Medikamente, z. B. von Sulfonamiden.
    • Die Vitamin-B12-Mangelanämie wird am häufigsten durch eine ungenügende Aufnahme des Vitamins über die Magenschleimhaut verursacht. Bei älteren Patient*innen liegt das meist an einer zu geringen Magensäuresekretion. Weitere Gründe sind chronische Entzündungen des Magens und/oder Darms, übermäßiges Bakterienwachstum oder Parasiteninfektionen, seltener Bauchspeicheldrüsenentzündungen, Magenoperationen oder bestimmte Arzneimittel. Die Vitamin-B12-Mangelanämie wird oft - nicht ganz korrekt - verallgemeinernd perniziöse Anämie genannt. Eine unzureichende Zufuhr des Vitamins verursacht eher selten eine Vitamin-B12-Mangelanämie. Möglich ist das bei Menschen, die sich vegan ernähren, insbesondere bei stillenden veganen Müttern und deren Säuglingen.
  • Weitere Ursachen für Erythropoesestörungen. Die Bildung der roten Blutkörperchen wird normalerweise durch das in den Nieren gebildete Hormon Erythropoetin stimuliert. Bei fortgeschrittenen Nierenfunktionsstörungen (chronisches Nierenversagen) ist zu wenig Hormon vorhanden, und eine renale Anämie (nierenbedingte Blutarmut) ist die Folge.

Selten, aber ernst ist eine Blutarmut durch eine Schädigung der Blutstammzellen im Knochenmark: die aplastische Anämie. Nur manchmal lässt sich eine Ursache finden wie etwa bestimmte Medikamente, Gifte, Strahlen oder Viren. Häufig sind rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen vermindert, was in der Medizin dann als Panzytopenie bezeichnet wird.

Blutarmut durch gesteigerten Abbau roter Blutkörperchen

Ist der Abbau der roten Blutkörperchen (Hämolyse) nur mäßig bis leicht beschleunigt, kann das Knochenmark den Verlust durch eine gesteigerte Bildung noch ausgleichen. Wenn aber massenweise rote Blutkörperchen vorzeitig zugrunde gehen und dieser Verlust höher ist als die Nachproduktion im Knochenmark, bildet sich eine hämolytische Anämie aus. In schweren Fällen haben die Betroffenen eine gelbliche Hautfarbe, da sich durch den gesteigerten Abbau der roten Blutkörperchen der gelbliche Gallenfarbstoff Bilirubin anhäuft. Zusätzlich besteht eine Milzvergrößerung.

Angeborene hämolytische Anämien. Am häufigsten sind hämolytische Anämien angeboren und zeigen sich dann bereits im Kindesalter. Es gibt zahlreiche verschiedene Formen, beispielsweise Enzymdefekte wie den Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel und den Pyruvatkinase-Mangel, Störungen des roten Blutfarbstoffs wie die Sichelzellanämie und die Thalassämie und Defekte der Membranhülle wie die Kugelzellanämie und die anfallsweise nächtliche Hämoglobinurie. Insgesamt sind diese Erkrankungen aber selten.

Erworbene hämolytische Anämien. Entstehen hämolytische Anämien erst im Erwachsenenalter, sind meist Autoimmunerkrankungen, Medikamente, Infektionen oder Krebs, vor allem Lymphome, die Ursache.

Blutarmut durch Blutverlust

Die dritte Gruppe der Anämien ist die Blutarmut durch Blutverlust (Blutungsanämien). Der Blutverlust kann akut auftreten, z. B. nach einer schweren Geburt, nach einem Unfall oder nach einer Operation, wenn mehr als 1–2 Liter Blut verloren wurden. Es gibt aber auch einen chronischen und verdeckten (okkulten) Blutverlust, z. B. bei Blutungen im Magen-Darm-Trakt. Damit die Blutgefäße, etwa nach einer Verletzung, gefüllt bleiben, fließt Gewebewasser ein und verdünnt das Blut, sodass der Gehalt des roten Blutfarbstoffs und der roten Blutkörperchen im Blut sinkt – eine Blutarmut entsteht. In der Folge wird die Produktion der roten Blutkörperchen angekurbelt, um für Ersatz zu sorgen.

Klinik, Verlauf und Komplikationen

Entwickelt sich die Blutarmut nur sehr langsam, bemerken die Patient*innen zunächst keine oder nur minimale Beschwerden. Erst bei einer ausgeprägten Anämie machen sich zunehmende Müdigkeit, nachlassende körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und gelegentliche Schwindelanfälle bemerkbar. Die Haut und Schleimhäute erscheinen blass, wobei die Beurteilung der Schleimhäute zuverlässiger ist, insbesondere bei dunkleren Hauttypen oder starker Sonnenbräune.

Die Hautbeschaffenheit kann einen ersten Hinweis auf die Ursache der Blutarmut geben. Kaltschweißige wächserne Haut spricht für einen akuten Blutverlust, während bei einer chronischen Anämie die Haut eher fahl und auffallend trocken wirkt. Eine gelbliche Haut kann auf einen Vitamin-B-Mangel oder einen übermäßigen Abbau der roten Blutkörperchen hindeuten.

Bei körperlicher Anstrengung kommt es immer häufiger zu Herzklopfen und Atemnot. Die Patient*innen fühlen sich immer weniger belastbar. In Innenräumen empfinden sie die Luft häufig als "stickig" und haben das Bedürfnis, ein Fenster zu öffnen.

Hinzukommen können je nach der Grunderkrankung weitere Symptome, z. B. starke, lange und/oder häufige Regelblutungen oder schwarzer Stuhlgang. Bei einem Eisenmangel als Auslöser zeigen die Betroffenen häufig brüchige Nägel und glanzloses Haar und klagen über ein brennendes Gefühl auf der Zunge.

Bei einem plötzlichen starken Blutverlust stehen eher die Symptome eines Kreislaufschocks im Vordergrund. Das Herz rast, die Atmung wird schnell und schwer, die Haut ist fleckig und von kaltem, klebrigem Schweiß überzogen. Die Patient*innen werden zunächst unruhig und ängstlich, schließlich fällt der Blutdruck aber so weit ab, dass sie immer teilnahmsloser und dann bewusstlos werden.

Das macht die Ärzt*in

Diagnosesicherung

Weitere Blutuntersuchungen helfen, der Ursache näher auf den Grund zu gehen, z. B. durch

  • Bestimmung der Retikulozyten (ganz junge rote Blutkörperchen) zur Einschätzung der Bildungsrate der roten Blutkörperchen
  • Ferritin- und Transferrinbestimmung zur Einschätzung des Eisenhaushalts
  • Vitaminspiegelbestimmung (Folsäure; Vitamin B12)
  • Antikörpersuche.

Im weiteren Verlauf können zusätzliche Untersuchungen erforderlich werden. Das kann etwa eine Magen- und/oder Darmspiegelung sein, um eine Blutungsquelle aufzuspüren. Oder die Ärzt*in empfiehlt eine Magenspiegelung wegen einer möglichen Magenschleimhautentzündung oder eine Knochenmarkpunktion bei Verdacht auf eine Blutbildungsstörung.

Differenzialdiagnosen. Eine Blutarmut kann durch Blutuntersuchungen meistens recht sicher diagnostiziert werden. Manchmal haben sich die roten Blutkörperchen aber auch einfach nur in der Milz "versteckt". Man spricht dann von einer Verteilungsstörung, dem Pooling, der Blutzellen. Ursache hierfür ist eine Milzvergrößerung (Splenomegalie).

Manchmal ist das Volumen des Blutplasmas insgesamt erhöht, z. B. in der Schwangerschaft, bei Ausdauersportler*innen (Sportleranämie) oder nach vielen Infusionsbehandlungen. Dann kommt es zu einer Pseudoanämie, auch relative Anämie genannt. Hierbei ist die Hämoglobinmenge und Anzahl der roten Blutkörperchen eigentlich normal, erscheint im Verhältnis zum hohen Blutvolumen aber vermindert.

Behandlung

  • Bei einer Eisenmangelanämie wird das fehlende Eisen durch Eisentabletten zugeführt. Gegebenenfalls müssen zugrunde liegende Ursachen wie Magen-Darm-Erkrankungen oder Blutungsquelle behandelt werden.

Eisentabletten wirken am besten, wenn sie morgens auf nüchternen Magen geschluckt werden. Viele Patient*innen vertragen dies aber nicht, sie sollten die Tabletten dann besser zum Frühstück einnehmen. Die Eisentabletten unbedingt mit viel Flüssigkeit und möglichst mit aufrechtem Oberkörper einnehmen, damit sie sich nicht an Engstellen der Speiseröhre festsetzen und dort zu Geschwüren führen. Eine gute Alternative sind Brausetabletten. Zu anderen Medikamenten ist ein zeitlicher Abstand von zwei Stunden einzuhalten, weil Eisen dazu führt, dass andere Medikamente nicht richtig vom Darm aufgenommen werden. Ebenso sollten in zeitlicher Nähe zur Tabletteneinnahme keine größeren Mengen an Nahrungsmitteln verzehrt werden, die die Eisenaufnahme hemmen. Dazu zählen etwa Milch und Milchprodukte, Tee und Hülsenfrüchte. Orangensaft hingegen fördert die Aufnahme des Eisens.

Präparate erster Wahl sind Eisen(II)-sulfate, da diese direkt resorbierbar sind. Bei Unverträglichkeit kann auf dreiwertige Eisen(III)-Präparate umgestiegen werden, die jedoch vom Körper vor der Resorption erst zu zweiwertigen reduziert werden müssen. Um die Eisenspeicher wieder aufzufüllen, muss die Behandlung mehrere Monate lang durchgeführt werden (Faustregel: nach Normalisierung des Blutbilds noch einmal die gleiche Zeit). Nicht erschrecken, wenn der Stuhlgang schwarz wird – das kommt von den Eisentabletten. Bei einer Unverträglichkeit trotz Präparatwechsel kann Eisen auch in die Vene gespritzt oder als Kurzinfusion gegeben werden, was in der Hausarztpraxis problemlos durchführbar ist.

  • Auch Vitamin B12 und Folsäure können medikamentös ersetzt werden. Manchmal sind Spritzen erforderlich, da Vitamin B12 aus Tabletten nicht ausreichend aufgenommen wird, um den Mangel auszugleichen. Die ursächliche Magenschleimhautentzündung bedarf wegen des erhöhten Magenkrebsrisikos jährlicher Kontrollen durch eine Magenspiegelung.
  • Bei der Anämie der chronischen Erkrankung ist die Behandlung der Grundkrankheit vorrangig. Wird z. B. die Entzündung besser, verschwindet die Blutarmut von selbst. Eine Eisengabe ist zwecklos, da das Eisen nicht verwertet wird.
  • Die renale Anämie ist heute durch gentechnisch hergestelltes Erythropoetin gut behandelbar. Es wird unter die Haut gespritzt.
  • Bei den hämolytischen Anämien hängt die Behandlung von der Ursache ab. Bei vielen angeborenen Formen bessert eine Milzentfernung die Beschwerden – sie ändert zwar nichts an dem "Baufehler" in den roten Blutkörperchen, verlängert aber deren Überlebenszeit und bessert so die Symptome der Blutarmut. Bei einigen hämolytischen Anämien des Erwachsenen und der aplastischen Anämie kann die Behandlung sehr schwierig sein. Dann ist vielleicht eine Immunsuppression (Unterdrückung des Immunsystems) notwendig oder in Extremfällen sogar eine Blutstammzelltransplantation.
  • Bluttransfusionen sind nur bei sehr ausgeprägter Blutarmut erforderlich.

Komplementärmedizin

Die Pflanzenheilkunde bietet viele Saft- oder Teekuren, gebraut aus eisenhaltigen Pflanzen wie Brennnessel, Löwenzahn, Tausendgüldenkraut, Quecke, Brombeere (Blätter) oder Ackerschachtelhalmkraut. Diese können einen Eisenmangel jedoch meist nicht ausgleichen. Es spricht aber nichts dagegen, sie unterstützend zur medikamentösen Behandlung einzusetzen.

Prävention

Eisen. Eine ausreichende Versorgung mit Eisen setzt eine ausgewogene Ernährung voraus. Dazu ist es nicht unbedingt nötig, Fleisch zu essen, wenn die Nahrung sorgfältig zusammengestellt wird.

Schwangere hingegen müssen häufig Eisentabletten einnehmen, da der erhöhte Eisenbedarf über die Ernährung oft nicht ausreichend gedeckt wird. Obwohl es medizinisch umstritten ist, erhalten Schwangere meist eine routinemäßige Eisenversorgung, um einer Eisenmangelanämie vorzubeugen. Eine Blutuntersuchung zur Bestimmung des Hämoglobins, Eisen- und Ferritin-Spiegels ist immer vorzuziehen. Dann kann das Eisendefizit berechnet und die Eisenversorgung entsprechend angepasst werden. Bei etwa 20 % der Schwangeren zeigt sich dann auch, dass auf Eisenspritzen umgestiegen werden muss.

Folsäure. Ein Folsäuremangel steigert das Risiko einer Rückenmarkfehlbildung (Spina bifida) beim Ungeborenen. Frauen mit Kinderwunsch sollten möglichst schon vor der Empfängnis, spätestens aber vom Erkennen der Schwangerschaft mindestens bis zum Ende des dritten Monats Folsäuretabletten einnehmen, da diese das Fehlbildungsrisiko erwiesenermaßen senken.

Folsäure spielt auch eine Rolle bei der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die zusätzliche Gabe von Folsäure senkt nämlich die Aminosäure Homozystein im Blut, die ein Risikofaktor für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Eisen. Eine wichtige Eisenquelle ist (rotes) Fleisch, aber auch Eier, Geflügel und Fisch liefern den wichtigen Mineralstoff. In puncto Eisen allzu einseitig auf Fleisch zu bauen ist jedoch nicht gesund und daher nicht empfehlenswert. Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und grüne Gemüse enthalten ebenfalls viel Eisen. Um die Eisenaufnahme aus der Nahrung zu verbessern, können pflanzliche Eisenträger zusammen mit Vitamin C gegessen werden (z. B. Erbsen mit Kartoffeln oder Vollkornprodukte mit frischem Orangensaft oder Paprika). Damit erreichen Sie zweierlei: Die Eisenaufnahme wird gesteigert und einem Vitamin-C-Mangel wird vorgebeugt, der ebenfalls zu einer Blutarmut führen kann (auch wenn dies hierzulande sehr selten ist).

Folsäure. Für eine ausreichende Versorgung mit Folsäure ist eine ausgewogene Ernährung nötig. So enthalten zum Beispiel grüne Gemüse, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Vollkornprodukte, Milch, Hefe, Innereien wie Leber und Niere, Ei und Soja viel Folsäure. Allerdings geht beim Kochen auch einiges davon verloren, denn Folsäure ist hitze- und lichtempfindlich. Wer seinen Bedarf nicht decken kann und deswegen Mangelerscheinungen hat, sollte zusätzlich Folsäure-Präparate einnehmen.

Vitamin B12 kommt in Fleisch, Fisch, Eiern, Milch sowie in geringen Mengen in Sauerkraut, Hülsenfrüchten und Wurzelgemüsen vor. Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, sollten ihren Vitamin-B12-Spiegel regelmäßig kontrollieren lassen oder vorsorglich ein Ergänzungspräparat einnehmen.

| Von: Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Daniela Grimm

Blutungsneigung und Blutgerinnungsstörungen

Krankhafte Blutungsneigung (hämorrhagische Diathese): Im Verhältnis zur vorliegenden Verletzung zu starke oder zu langanhaltende Blutung oder eine Spontanblutung ohne erkennbaren Anlass. Milde Formen sind relativ häufig und werden oft nur durch Zufall bei routinemäßigen Blutuntersuchungen erkannt. Schwere Formen sind selten, können aber lebensbedrohlich sein. Oft bemerken die Betroffenen zuerst ungewöhnlich viele blaue Flecken auf der Haut oder häufiges Nasen- oder Zahnfleischbluten. Bei Frauen kann auch die Menstruationsblutung verstärkt und verlängert sein. Die Ursachen einer Blutungsneigung sind vielfältig. Bei den meisten Betroffenen (etwas 90 %) ist die Blutungsneigung erworben, v. a. durch die Einnahme blutgerinnungshemmender Medikamente. Zu den deutlich selteneren angeborenen Blutungsneigungen zählen z. B. das von-Willebrand-Jürgens-Syndrom und die Hämophilie. Die Behandlung und Prognose variieren je nach der zugrundeliegenden Ursache.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Auffällig viele blaue Flecken (Hauteinblutungen) verschiedener Größe: stecknadelkopfgroße (Petechien), viele kleine wie ein Ausschlag (Purpura), ungefähr münzgroße (Sugillationen) oder flächenhafte (Suffusionen)
  • Häufiges Nasen- oder Zahnfleischbluten
  • Verlängerte oder verstärkte Menstruationsblutung
  • Nach Verletzungen oder einer Zahnentfernung zu starke oder zu lang anhaltende Blutungen oder erneut auftretende Blutungen nach bereits erfolgtem Stillstand.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen, wenn

  • sich auf einmal stecknadelkopfgroße Flecke auf der Haut bilden
  • plötzlich auffällig viele blaue Flecke oder kleine Blutungen auftreten.

Sofort bei jeder Blutung, die sich nicht stillen lässt.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Wird ein Blutgefäß verletzt, kommt es zu einer Blutung. Im gesunden Körper sorgt die Blutgerinnung dafür, dass die Blutung wieder stoppt. Daran sind unterschiedliche Zellen und Gerinnungsfaktoren beteiligt. Bei manchen Menschen funktioniert die Blutgerinnung nicht – sie haben eine Blutungsneigung oder Gerinnungsstörung. Die Blutungsneigungen werden je nach der Ursache in 3 Gruppen unterteilt:

Plättchenbedingte Blutungsneigungen

Am häufigsten sind die Blutplättchen (Thrombozyten) für eine krankhafte Blutungsneigung verantwortlich (plättchenbedingte Blutungsneigung). Die Blutplättchen sind Zellen im Blut, die den 1. Schritt der Blutstillung einleiten. Sie lagern sich um die Verletzung herum aneinander an und dichten mit einem Blutgerinnsel die offene Stelle ab.

Bei der plättchenbedingten Blutungsneigung sind am häufigsten zu wenige Blutplättchen vorhanden (Thrombozytopenie). Hierfür gibt es zahlreiche Ursachen: Entweder es werden zu wenige Blutplättchen gebildet (etwa durch Vitamin-B12- oder B9-Mangel, Alkoholmissbrauch oder Knochenmarkkrebs), oder die Blutplättchen überleben zu kurz, z. B. durch vermehrten Verbrauch oder Zerstörung. Geschädigt werden sie beispielsweise durch Abwehrstoffe (Antikörper), die bei allergischen Reaktionen oder Autoimmunkrankheiten gebildet werden oder mechanisch durch künstliche Herzklappen.

Die zweite Möglichkeit der plättchenbedingten Blutungsneigung ist eine Funktionsstörung der Blutplättchen (Thrombozytopathie). Die Zahl der Blutplättchen ist dabei normal. Auch hier gibt es wieder vielfältige Ursachen. Neben seltenen angeborenen Defekten beeinträchtigen vor allem Arzneimittel die Funktion der Blutplättchen. Dazu zählen Thrombozytenaggregationshemmer, Schmerzmittel und bestimmte Antibiotika. Auch Erkrankungen können die Ursache sein, etwa eine chronische Leber- oder Nierenschwäche.

Gerinnungsstörungen

Gerinnungsfaktoren sind die Bestandteile im Blut, die nach den Blutplättchen die nächste Stufe der Blutstillung einleiten. Sie stabilisieren und verfestigen die von den Blutplättchen gebildeten Blutgerinnsel. Fehlen Gerinnungsfaktoren oder ist deren Funktion beeinträchtigt, spricht man von einer Gerinnungsstörung.

Die häufigste Ursache für eine Gerinnungsstörung ist die Einnahme von Arzneimitteln, die die Gerinnungsfaktoren unterdrücken (gerinnungshemmende Medikamente) Hierzu zählen z. B. die Cumarine und die Heparine.

Ein Grund für das Fehlen von Gerinnungsfaktoren ist, dass zu wenige gebildet werden:

  • Die meisten Gerinnungsfaktoren werden in der Leber gebildet, weshalb jede ausgeprägte Leberfunktionsstörung zu Gerinnungsstörungen führt.
  • Für die Bildung benötigt die Leber Vitamin K. Auch ein Vitamin-K-Mangel verursacht also Gerinnungsstörungen.
  • Bei den angeborenen Gerinnungsstörungen kommt das Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom am häufigsten vor, bei dem nicht ein Gerinnungsfaktor selbst, sondern ein unterstützendes Eiweiß fehlt. Schwere Formen sind selten. Seltener, aber bekannter ist die Bluterkrankheit (Hämophilie), bei der aufgrund eines genetischen Defekts der Gerinnungsfaktor VIII (bei Hämophilie A) oder IX (bei Hämophilie B) nicht gebildet werden kann. Da die Hämophilie über das X-Chromosom vererbt wird, erkranken fast nur Jungen. Frauen können das Gen in sich tragen und sind dann selbst beschwerdefrei, übertragen die Erkrankung aber auf ihre Kinder.

Ein anderer Grund für das Fehlen von Gerinnungsfaktoren ist der erhöhte Verbrauch. Das ist der Fall bei der Verbrauchskoagulopathie. Hier ist die Gerinnung zunächst krankhaft gesteigert und es kommt im gesamten Körper zur Gerinnung des Blutes in den Blutgefäßen (disseminierte intravasale Gerinnung, DIC). Durch den erhöhten Verbrauch bricht anschließend die Blutgerinnung zusammen. Diese schweren Störungen treten im Rahmen lebensbedrohlicher Zustände auf, z. B. bei schwerem Schock, einer Blutvergiftung (Sepsis), massiven Blutungen, wenn es bei einer Bluttransfusion zu Komplikationen kommt (Transfusionszwischenfall) oder wenn ein Fetus im Mutterleib stirbt (Dead-Fetus-Syndrom).

Eine zwar seltene, aber gefürchtete Gerinnungsstörung ist die Hyperfibrinolyse. Hierbei wird vermehrt das Enzym Plasmin freigesetzt und dadurch das für die Blutungsstillung nötige Fibrin aufgelöst. Zu einer Hyperfibrinolyse kommt es z. B. nach größeren Operationen oder bei geburtshilflichen Komplikationen wie vorzeitiger Plazentaablösung oder Fruchtwasserembolie.

Gefäßbedingte Blutungsneigungen

Eine Blutungsneigung kann auch auftreten, wenn mit der Blutstillung selbst alles in Ordnung ist. Es kommt dann einfach immer wieder zu Blutungen, weil die Gefäße undicht sind (gefäßbedingte Blutungsneigung).

Dahinter können Erkrankung stecken wie der angeborene Morbus Osler (Rendu-Osler-Weber-Krankheit). Bei dieser Erkrankung bilden sich wenige Millimeter kleine, rötliche Knötchen (Gefäßerweiterungen) v. a. in Haut und Schleimhäuten, aber auch in den inneren Organen. Diese Gefäßerweiterungen neigen zu Blutungen. Nur leichtes Berühren, etwa beim Rasieren, genügt, um eine Blutung auszulösen. Schleimhaut- und Nasenblutungen sowie Blut in Urin oder Stuhl sind weitere Symptome. Auch autoimmune Gefäßentzündungen wie die klassische Panarteriitis nodosa sowie infektiös-allergische Gefäßentzündungen wie die Purpura Schoenlein-Henoch bei Kindern führen zu gefäßbedingten Blutungen.

Bei älteren Menschen tritt häufig die harmlose senile Purpura auf. Infolge der normalen Hautalterung werden die kleinsten Gefäße in der Haut brüchig und lassen Blut hindurch. Vor allem an Handrücken, Unterarmen und Unterschenkelstreckseiten blutet es dann geringfügig in die Unterhaut ein. Die Blutungen hören von alleine wieder auf, hinterlassen aber möglicherweise dunkler pigmentierte Stellen.

Auch Medikamente können eine gefäßbedingte Blutungsneigung verursachen, etwa eine Langzeitbehandlung mit Kortison, bei der die Haut ebenfalls dünner und verletzlicher wird.

Klinik, Verlauf und Komplikationen

Auch wenn der Begriff Blutungsneigung erst einmal dramatisch klingt: Oft ist die Blutungsneigung nur mild ausgeprägt. Sie wird dann vielleicht durch Zufall bei Blutuntersuchungen (z. B. vor einer Operation) oder bei Zahnentfernungen entdeckt. Schwere Formen der Blutungsneigung mit lebensbedrohlich starken Blutungen sind eher selten und kommen zum Beispiel bei angeborenen Blutungsneigungen wie der Hämophilie vor.

Eine Blutungsneigung fällt oft auf, weil Betroffene ungewöhnlich viele blaue Flecken auf der Haut haben. Die Größe der Flecken kann schon erste Hinweise auf die Blutungsursache geben.

Typisch für die plättchenbedingten Blutungsneigungen sind viele stecknadelkopfgroße Blutungen der Haut und der Schleimhäute. Häufig zeigt sich außerdem Nasenbluten, Zahnfleischbluten oder eine besonders starke und lange Menstruationsblutung.

Für Gerinnungsstörungen typisch sind eher größere blaue Flecke bis hin zu ausgedehnten Muskel- und Weichteilblutungen.

Gefäßbedingte Blutungsneigungen zeigen sich meist durch Hautblutungen unterschiedlicher Größe. Ernsthafte Blutungen sind selten.

Die Verbrauchskoagulopathie zeigt sich sowohl mit kleinflächigen als auch mit großflächigen Blutungen, weil hier sowohl die Blutplättchen als ich die Gerinnungsfaktoren übermäßig stark verbraucht werden.

Das macht die Ärzt*in

Diagnosesicherung. Besteht der Verdacht auf eine Blutungsneigung, kann die Ärzt*in zunächst einen ganz einfachen Test durchführen: Dazu legt sie eine Blutdruckmanschette am Arm an und pumpt diese auf. Zeigen sich nach fünf Minuten stecknadelkopfgroße Hautflecke, ist dies ein Zeichen für eine erhöhte Gefäßbrüchigkeit oder für eine Störung der Blutplättchen.

Eine einfache Blutuntersuchung liefert weitere Hinweise: Die Plättchenzählung aus dem Blutbild sowie die Gerinnungstests INR, PTT und PTZ sind in jedem Labor problemlos möglich. Bei Funktionsstörungen der Blutplättchen oder einem Mangel einzelner Gerinnungsfaktoren sind Blutuntersuchungen im Speziallabor nötig. Zudem können weitere Untersuchungen erforderlich sein, um die Ursache der Störung herauszufinden, etwa eine Knochenmarkuntersuchung bei Verdacht auf eine Blutplättchenbildungsstörung oder molekulargenetische Untersuchungen zum Nachweis angeborener Gendefekte.

Differenzialdiagnosen. Ob eine Blutungsneigung vorliegt, kann durch die beschriebenen Laboruntersuchungen recht einfach diagnostiziert werden. Die Schwierigkeit liegt hierbei weniger in der Diagnosesicherung als vielmehr in der nachfolgenden Ursachensuche.

Behandlung


Die Behandlung der Blutungsneigung richtet sich nach der Ursache.

Steckt zum Beispiel ein Medikament dahinter, wird dieses abgesetzt.

Bei Hämophilie wird der fehlende Gerinnungsfaktor regelmäßig in die Vene gespritzt. Nach entsprechender Schulung kann dies der Patient selbst ausführen. Für beide Formen der Hämophilie steht inzwischen auch eine Gentherapie zur Verfügung, durch die die Leber angeregt wird, selbst die fehlenden Gerinnungsfaktoren zu produzieren.

Einige Formen der Blutungsneigung benötigen gar keine Therapie, sondern müssen nur regelmäßig kontrolliert werden. Das ist z. B. so bei leicht verlaufenden chronischen Formen der Immunthrombozytopenie. Hier gilt das Prinzip "watch and wait".

Stärker eingreifen müssen Ärzt*innen vor allem, wenn Gerinnungsfaktoren oder Blutplättchen sehr niedrig sind, die Blutungen bedrohlich stark werden oder Operationen anstehen. Dann gibt es Medikamente, die die Blutstillung unterstützen. Man versucht dann zum Beispiel, die Bildung der Blutplättchen kurzfristig anzuheben.

Bei schweren, lebensgefährlichen Blutungen werden fehlende Blutplättchen oder Gerinnungsfaktoren durch Blutplättchen- oder Gerinnungsfaktorkonzentrate ersetzt. Diese erhält die Patient*in als Transfusion direkt in die Vene.

Selbsthilfe

Die meisten Blutungsneigungen bestehen nur zeitweilig. Die Betroffenen sollten sich bis zur Besserung vor Verletzungen schützen und auf Warnzeichen einer bedrohlichen Blutung achten.

Auch die meisten Patient*innen mit einem Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom sind im Alltag nicht beeinträchtigt. Sie müssen aber vor Operationen auf ihre Erkrankung hinweisen, damit vorbeugend Medikamente oder ein von-Willebrand-Konzentrat gegeben werden.

Anders verhält es sich bei der Bluterkrankheit: Hier ist die Blutungsneigung meist so hoch, dass schon bei kleineren Verletzungen oder sogar vorbeugend Gerinnungsfaktoren gespritzt werden müssen. Zudem muss lebenslang Rücksicht auf die Erkrankung genommen werden, z. B. durch das Meiden bestimmter Sportarten. Die meisten Betroffenen haben sich seit ihrer Kindheit einen angepassten Lebensstil angewöhnt und schon früh das Spritzen erlernt. Zu den empfohlenen Maßnahmen im Umgang mit der Krankheit zählt die sorgfältige Zahnpflege, um z. B. umfangreichere Zahnsanierungen zu verhindern. Ein spezielles Geschicklichkeitstraining hilft oft, Verletzungen vorzubeugen. Rat und Hilfe bezüglich der vielen praktischen Fragen erhalten Betroffene z. B. bei Selbsthilfegruppen.

Stillung lebensbedrohlicher Blutungen

Ab einem Verlust von 1 Liter Blut besteht beim Erwachsenen Schockgefahr. Bei starkem Blutverlust ist also Eile geboten. Fast jede Blutung ist durch genügend starken Druck von außen zum Stillstand zu bringen, am besten durch einen Druckverband und durch Hochlagern des betroffenen Körperteils.

Bei lebensbedrohlichen Blutungen reicht ein Druckverband allerdings nicht aus. Das Blutgefäß muss gezielt mit der Hand zusammengedrückt werden. Hierzu wird gegebenenfalls direkt in die Wunde hineingedrückt. Dazu verwendet man eine sterile Mullkompresse oder notfalls saubere Tücher. Der Druck muss aufrecht erhalten werden, bis ärztliche Hilfe eintrifft.

Prognose

Die Heilungsaussichten bei Blutungsneigungen variieren stark je nach der auslösenden Ursache oder Grunderkrankung.

Angeborene Formen der Blutungsneigung sind nicht heilbar, lassen sich bei fachgerechter Betreuung in spezialisierten medizinischen Zentren aber gut managen.

Viele Formen der Immunthromboyztopenie heilen oft spontan von selbst, insbesondere bei Kindern.

Ist ein Medikament der Auslöser, verschwindet die Blutungsneigung nach Absetzen des Präparates von selbst. Kann eine gerinnungshemmende Behandlung nicht abgesetzt werden, bessert sich die Blutungsneigung oft, wenn die Dosierung angepasst oder auf einen anderen Wirkstoff umgestiegen wird.

Liegt der Blutungsneigung eine Krebserkrankung zugrunde, ist die Prognose eher vorsichtig zu stellen, da sie von der Krebsart abhängt.

Bei einer Verbrauchskoagulopathie ist die Prognose zweifelhaft, da sie meist im Rahmen lebensbedrohlicher Zustände auftritt.

Bei der Leberzirrhose ist die Prognose langfristig eher schlecht.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Verletzungsrisiko minimieren. Verzichten Sie auf alle Tätigkeiten, die ein erhöhtes Risiko für Verletzungen bergen. Hierzu zählen zum Beispiel Kontaktsportarten oder Sportarten, die wie das Rennradfahren mit hohen Geschwindigkeiten einhergehen. Auch bestimme Arbeiten im Haushalt oder Garten haben hohe Verletzungsrisiken.

Sturzprophylaxe. Entfernen sie alle Stolperfallen in ihrem Wohnumfeld. Ein gezieltes Gleichgewichts- und Geschicklichkeitstraining hilft zusätzlich, Unfälle und Verletzungen zu vermeiden. Fragen Sie hierzu Ihre Krankenkasse oder holen Sie sich Rat bei einer Selbsthilfegruppe.

Körperpflege. Achten sie bei der Zahnpflege auf einen sanften Umgang mit dem Zahnfleisch. Benutzen Sie sehr weiche Zahnbürsten oder Schwammzahnbürsten, verzichten Sie auf Zahnseide und putzen sie das Zahnfleisch nicht mit. Die Trockenrasur ist der Nassrasur vorzuziehen. Lassen Sie sich bei der Nagelpflege durch geschultes Personal unterstützen, z. B. in einer podologischen Praxis.

Ernährung. Vermeiden Sie harte, scharfkantige Speisen, z. B. hartes Brot oder Brötchen. Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung, um einem Vitaminmangel vorzubeugen. Essen Sie ballaststoffreich und trinken Sie ausreichend Flüssigkeit, um einer Verstopfung und starkem Pressen beim Stuhlgang entgegenzuwirken.

Komplementärmedizin

Über naturheilkundliche Behandlungen gegen Blutungsneigung liegen keine wissenschaftlichen Nachweise vor. Wenn Sie Ihre Gesundheit durch komplementärmedizinische Behandlungen unterstützen möchten, ist dagegen jedoch nichts einzuwenden. Einige Verfahren sind für Patient*innen mit einer Blutungsneigung jedoch weniger geeignet. Hierzu zählen Maßnahmen, die zu Blutungen oder Blutergüssen führen können wie das Schröpfen. Auch bei Massagen, osteopathischen Behandlungen und manuellen Therapien, sollte die Therapeut*in auf die Blutungsneigung hingewiesen werden.

Weiterführende Informationen

| Von: Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Daniela Grimm

Hämochromatose

Hämochromatose (primäre Siderose, Hämosiderose, Eisenspeicherkrankheit): Erbliche Eisenstoffwechselstörung mit übermäßiger Eisenaufnahme aus dem Darm. Die Hämochromatose bewirkt eine massive Eisenüberladung und schädigt zahlreiche Organe wie Leber, Bauchspeicheldrüse, Herz, Gelenke und Hormondrüsen. Da so viele Organe betroffen sind, leiden die Patient*innen an vielen unterschiedlichen Beschwerden. Typisch ist eine Bronzefärbung der Haut. Hinzu kommen u. a. Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Schwäche, Gewichtsverlust, Oberbauchbeschwerden, Durst, Herzschwäche, Potenz- und Menstruationsstörungen. Die Eiseneinlagerung beginnt schon direkt nach der Geburt, die ersten Symptome zeigen sich jedoch meist erst im Erwachsenenalter, bei Männern früher als bei Frauen. Behandelt wird durch eine eisenarme Diät, regelmäßige Aderlässe und manchmal auch mit Medikamenten. Die Hämochromatose ist nicht heilbar, deshalb muss die Behandlung lebenslang fortgesetzt werden. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto höher ist die Lebenserwartung der Betroffenen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Müdigkeit, Schwäche, Gewichtsverlust
  • Bronzefarbene Haut
  • Gelenkschmerzen
  • Hormonstörungen mit Impotenz bei Männern und Störungen der Regelblutung bei Frauen
  • Schmerzen im Oberbauch durch eine Lebervergrößerung
  • Durst und vermehrte Urinausscheidung durch Diabetes
  • Anfallsweises Herzrasen und Herzrhythmusstörungen.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen, wenn die Haut sich immer dunkler färbt und zusätzlich eine oder mehrere der oben beschriebenen Beschwerden auftreten.

Am selben Tag bei plötzlichem sehr starken Durst mit einer Trinkmenge von mehr als 4 Litern am Tag oder bei anhaltendem Herzstolpern oder Herzrasen ohne vorherige Belastung.

Die Erkrankung

Bei der erblichen Hämochromatose wird ständig zu viel Eisen aus dem Darm aufgenommen. Das Eisen lagert sich in zahlreichen Organen ab und schädigt v. a. die Bauchspeicheldrüse, die Leber, das Herz und die Hormondrüsen. Die Beschwerden beginnen bei Männern meist im mittleren Lebensalter. Bei Frauen tritt die Erkrankung später – meist erst nach den Wechseljahren – auf, denn davor wird der Eisenüberschuss durch die Regelblutung "natürlich" entsorgt. Selten kommt es schon vor dem 30. Lebensjahr zu Symptomen.

Krankheitsentstehung

Die Ursache der vermehrten Eisenaufnahme sind verschiedene erbliche Genmutationen. Bei der am häufigsten auftretenden Hämochromatose Typ 1 mutiert beispielsweise das HFE-Gen, welches für die korrekte Funktion des HFE-Proteins zuständig ist. HFE steht für "High-FE" – also "Hohes Eisen". Das HFE-Protein reguliert die Eisenaufnahme aus dem Darm. Ist es defekt, wird ungehemmt Eisen aus dem Darm in das Blut transportiert.

Es gibt noch 4 weitere Typen der Hämochromatose, die jeweils andere, für den Eisenstoffwechsel wichtige Gene betreffen. Die 5 Erkrankungstypen unterscheiden sich darin, in welche Organe am meisten Eisen eingelagert wird und wann die Erkrankung zu Tage tritt. Bei Typ 1 ist zuerst die Leber betroffen und das Erkrankungsalter liegt zwischen dem 30.–50. Lebensjahr. Typ 2a ist seltener und betrifft v. a. das Herz und junge Menschen zwischen dem 10.–20. Lebensjahr. Die 3 anderen Typen sind so selten, dass man sie als medizinische Raritäten bezeichnet.

Klinik

Die Hämochromatose beginnt zunächst schleichend mit allgemeinen Symptomen wie Müdigkeit, Schwäche und Gewichtsverlust. Relativ früh zeigen sich auch Gelenkschmerzen, die meist zuerst in den Fingergelenken des Zeige- und Mittelfingers auftreten. Später können auch die anderen Fingergelenke sowie Handgelenke, Schulter- und Ellbogengelenke, Hüft- und Kniegelenke betroffen sein.

In der Haut abgelagerte Eisenverbindungen färben diese nach und nach bronzefarben. Die Verfärbung kann dabei entweder diffus den gesamten Körper betreffen oder an einzelnen Körperbereichen besonders ausgeprägt sein, z. B. in den Achselhöhlen, im Gesicht, an den Händen und Unterarmen oder in der Genitalregion. Die betroffenen Regionen sind dann oft auch haarlos.

Bei Hämochromatose Typ 1 wird als erstes Organ v. a. die Leber geschädigt. Durch das eingelagerte Eisen entsteht eine Leberzirrhose – Gewebsvernarbungen, die sich neben Müdigkeit und Schwäche auch mit Schmerzen im Oberbauch bemerkbar machen.

Bei Typ 2a ist zuerst v. a. das Herz betroffen. Die geschädigten Herzmuskelzellen beeinträchtigen die Herzfunktion, was ebenfalls Müdigkeit und Schwäche verursacht. Ein Teil der Betroffenen wird durch Herzrhythmusstörungen und anfallsweises Herzrasen auffällig.

Bei beiden Typen ist auch die Hirnanhangsdrüse von der Eiseneinlagerung betroffen. Diese Drüse reguliert die Funktion der Geschlechtsdrüsen. Die Unterfunktion der Drüsen verursacht Hormonstörungen. Bei Männern schrumpfen die Hoden, bei Frauen wird die Regelblutung immer schwächer und bleibt irgendwann ganz aus. Hinzu kommen ein Verlust des Geschlechtstriebes (Libido) und bei Männern Potenzstörungen.

Im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf entsteht bei Hämochromatose Typ 1 zusätzlich ein Diabetes. So wie in der Leber vernarbt auch das Gewebe der Bauchspeicheldrüse immer mehr. Sie kann deshalb nicht mehr ausreichend Insulin bilden. Der dadurch erhöhte Blutzuckerspiegel verursacht Durst und eine stark vermehrte Urinmenge. Wegen der ebenso auftretenden Hautverfärbung spricht man vom "Bronzediabetes".

Komplikationen

Im Erkrankungsverlauf kann sich aus der Leberzirrhose ein Leberkarzinom entwickeln. Es entsteht bei etwa 30 % der Hämochromatose-Patient*innen und ist die häufigste Todesursache bei dieser Erkrankung.

Auch die Herzmuskelschädigung (Kardiomyopathie) kann unbehandelt schnell zum Tod führen.

Diagnosesicherung

Das macht der Arzt

Da sich die Beschwerden nur schleichend entwickeln, gehen die Betroffenen oft erst spät in die Arztpraxis. Dennoch hat sich das Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung inzwischen so verbessert, dass die Diagnose heute oft rechtzeitig gestellt wird, also nicht erst, wenn die Organschädigungen schon recht weit fortgeschritten sind. Hatten früher Dreiviertel der Betroffenen bei der Diagnosestellung bereits eine Leberzirrhose, so werden Zirrhose und Diabetes heute viel seltener beobachtet. Gelenkschmerzen und chronische Müdigkeit sind heute der Hauptgrund für den Arztbesuch.

Die Diagnose einer Hämochromatose ist meistens durch verschiedene Blutuntersuchungen möglich. Im Blut werden zunächst verschiedene Eisenmarker bestimmt, z. B. das Ferritin (eine Speicherform des Eisens), das Transferrin (das Transportprotein für Eisen) und die Transferrinsättigung (der Anteil an mit Eisen beladenem Transportprotein). Sind diese Werte erhöht, schließen sich molekulargenetische Blutuntersuchungen an, bei denen die Genmutationen nachgewiesen werden. Eine Leberbiopsie ist dadurch nur noch selten nötig.

Differenzialdiagnose. Neben der erblichen Eisenspeicherkrankheit (primäre Siderose) gibt es auch andere Ursachen für eine übermäßige Eisenspeicherung im Körper, die sekundären Siderosen:

Bei bestimmten Formen der Blutarmut (Anämie) und bei Stammzellerkrankungen erhöht der Körper ebenfalls die Eisenaufnahme aus dem Darm. Zusätzlich führen dann auch die therapeutisch notwendigen Bluttransfusionen zu einer erhöhten Eisenzufuhr.

Auch bei fortgeschrittenen Lebererkrankungen, allen voran bei einer Leberschädigung durch Alkoholmissbrauch, kommt es zu einer Eiseneinlagerung in der Leber.

Erhöhte Blutwerte von Ferritin treten außer bei einer Eisenüberladung auch bei Entzündungen im Körper auf, deshalb beurteilen Ärzt*innen diese Blutwerte immer nur im Zusammenhang mit den Beschwerden der Betroffenen.

Neben der erblichen Hämochromatose gibt es noch 2 weitere Erbkrankheiten, die zu einer übermäßigen Eisenspeicherung führen: Die kongenitale Hypotransferrinämie verursacht ebenfalls schleichend Gelenkschmerzen, Leberzirrhose und Herzschwäche. Bei der ebenfalls angeborenen Aceruloplasminämie wird das Eisen v. a. im Gehirn gespeichert und verursacht daher v. a. neurologische Symptome, aber auch Diabetes.

Eine sehr seltene und nicht erbliche Sonderform der Eisenspeicherkrankheit ist die neonatale Hämochromatose. Hierbei treten bereits 2 Tage nach der Geburt die ersten Anzeichen einer Leberschädigung auf. Die betroffenen Säuglinge benötigen schon innerhalb der ersten 3 Lebensmonate eine Lebertransplantation.

Behandlung

Die Hauptsäulen der Behandlung sind regelmäßige Aderlässe zur Entfernung des überschüssigen Eisens sowie eine eisenarme Kost. Die Häufigkeit und entnommene Blutmenge beim Aderlass werden individuell an die Blutwerte und das Wohlbefinden der Patient*innen angepasst. Reichen Diät und Aderlässe nicht aus oder besteht gleichzeitig eine Blutarmut (die einen Aderlass verbietet), werden Medikamente verordnet. Diese Medikamente binden das Eisen im Körper und verhindern die Organablagerungen. Sie haben aber auch starke Nebenwirkungen, weshalb sie nicht regulär bei allen Patient*innen eingesetzt werden.

Zusätzlich werden gezielt die einzelnen Beschwerden und Folgeerkrankungen behandelt. Beispielsweise werden Schmerzmittel gegen die Gelenkschmerzen verordnet, der Diabetes mit Insulin behandelt und Hormone wie Testosteron und Gonadotropin gegen die sexuellen Störungen verabreicht. Eine bereits fortgeschrittene Leberzirrhose erfordert in absehbarer Zeit eine Lebertransplantation.

Prognose

Wird die Erkrankung behandelt, bevor sich eine Leberzirrhose oder Herzinsuffizienz (Herzschwäche) entwickelt hat, ist die Lebenserwartung normal, sofern die Behandlung konsequent fortgesetzt wird. Bei der Behandlung wird ein Zielwert für Ferritin angestrebt. Wird dieser erreicht, sind keine Organschäden zu befürchten.

Besteht bereits eine Leberzirrhose oder Herzschwäche, verschlechtert sich die Prognose. Die Leberzirrhose kann dann in ein Leberkarzinom übergehen, welches insgesamt die häufigste Todesursache bei Hämochromatose-Patient*innen ist.

Unbehandelt führt die Hämochromatose zum Tod. Häufigste Todesursachen sind dann Leber- oder Herzversagen.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Eisenarme Diät. Nahrungsmittel mit einem hohen Eisengehalt sind v. a. Fleisch und Innereien wie Leber und Nieren sowie Quinoa, Amaranth und Pflanzensamen wie Sesam und Kürbiskerne. Diese Nahrungsmittel sollten nicht exzessiv verzehrt werden. Eine spezielle, sehr strenge Diät muss aber nicht eingehalten werden. Wie weit die Ernährung wirklich hilft, die Eisenwerte zu senken, ist bislang umstritten. Im Zweifel ist eine individuelle Ernährungsberatung durch qualifizierte Diätassistent*innen empfehlenswert.

Schwarztee. Zusätzlich zur eisenarmen Diät sollten Betroffene Schwarzen Tee zu den Mahlzeiten trinken, weil dieser die Eisenaufnahme im Darm hemmt. Auch Kaffee und Milch können die Eisenaufnahme vermindern. Ebenso Rotwein, jedoch sollte auf Alkohol generell verzichtet werden, um die Leber zu entlasten.

Nahrungsergänzungsmittel. Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin C sollten nicht eingenommen werden, da Vitamin C die Eisenaufnahme aus dem Darm fördert. Bei allen Nahrungsergänzungsmitteln ist zudem darauf zu achten, dass kein Eisen enthalten ist.

Komplementärmedizin

Besteht bereits eine Leberschädigung, können standardisierte Extrakte aus Mariendistelfrüchten helfen. Diese haben leberschützende Eigenschaften, die sich bei Patient*innen mit Leberschäden positiv auswirken können.

Prävention

Da die Hämochromatose angeboren ist, gibt es keine Vorbeugung. Wird die Erkrankung diagnostiziert, kann aber eine gesunde Ernährung und Lebensweise helfen, die Organe nicht zusätzlich zu schädigen. Wichtig ist z. B. der Verzicht auf Alkohol. Auch ein hoher Zuckerkonsum belastet sowohl die Leber als auch die Bauchspeicheldrüse und sollte daher möglichst vermieden werden.

Weiterführende Informationen

Internetseite der Hämochromatose-Vereinigung Deutschland e. V., Köln: Selbsthilfegruppe mit medizinischen Informationen und über 20 Kontaktstellen in ganz Deutschland.

| Von: Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Daniela Grimm

Leukämien

Häufigkeit: 2

Leukämie (Blutkrebs, "weißes Blut"): Bösartige Knochenmarkserkrankung mit unkontrollierter Vermehrung abnormer weißer Blutkörperchen (Leukozyten). Es gibt viele verschiedene Formen der Leukämie. Unter anderem unterscheidet man – nach den betroffenen Zelllinien – lymphatische und myeloische Formen. Menschen mit Leukämie leiden an uncharakteristischen Allgemeinbeschwerden wie Müdigkeit, Nachtschweiß, Fieber, Gewichtsverlust und nachlassender Leistungsfähigkeit. Hinzu kommen eine Infekt- und Blutungsneigung oder weitere Symptome je nach Leukämieform. Die Leukämie tritt in jedem Lebensalter auf und betrifft Männer etwas häufiger als Frauen. Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 12–14.000 Menschen an der Leukämie, die häufigste Form ist mit etwa 40 % die chronische lymphatische Leukämie. Die Behandlung und Prognose hängen von der Leukämieform ab, wobei die Aussichten für Kinder (rund 80 % Langzeitüberlebende) besser sind als für Erwachsene.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Blässe
  • Fieberschübe, Nachtschweiß, Gewichtsverlust
  • Verminderte körperliche Belastbarkeit
  • Gehäuft blaue Flecken und Schleimhautblutungen
  • Infektneigung
  • Möglicherweise Druckgefühl im Oberbauch
  • Je nach Leukämieform eventuell weitere Symptome wie Lymphknotenschwellung, Juckreiz, Knochen- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen und Nackensteife.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen, wenn die oben genannten Beschwerden plötzlich oder über einen längeren Zeitraum auftreten.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Wie alle teilungsfähigen Zellen im Körper können auch die Blutstammzellen im Knochenmark entarten. Die Frage nach dem "Warum" bleibt dabei in aller Regel unbeantwortet. Mittlerweile ist zwar bekannt, dass bestimmte Risikofaktoren eine Rolle spielen, jedoch liegt beim Großteil der Betroffenen keiner der bekannten Risikofaktoren vor. Dass Leukämien zwar nicht direkt erblich, aber doch von Mutter zu Kind übertragbar sind, ist wissenschaftlich belegt. Mittels Gentest lässt sich nachweisen, dass die Krebszellen des Kindes die gleiche Genmutation aufweisen wie die der Mutter. Zur Übertragung im Mutterleib kann es kommen, weil die Krebszellen das Immunsystem des Babys umgehen. Ihnen fehlen bestimmte DNA-Abschnitte, an denen das Immunsystem Eindringlinge sonst erkennt.

Die entarteten, bösartigen Zellen vermehren sich ungehemmt und werden schließlich ins Blut ausgeschwemmt. Ihre Vermehrung geht auf Kosten der gesunden Blutkörperchen im Knochenmark, sodass diese verdrängt werden. Die bösartigen Zellen erfüllen jedoch ihre "üblichen" Aufgaben nicht – sie verlieren z. B. ihre Fähigkeiten, im Rahmen der Immunabwehr aktiv zu werden. Während die funktionslosen bösartigen Blutkörperchen immer mehr werden, fehlt es an funktionsfähigen roten und weißen Blutkörperchen sowie an Blutplättchen. Die bösartigen Zellen breiten sich ungehindert weiter im Körper aus und befallen z. B. Leber, Milz, Gehirn und Haut.

Ursachen und Risikofaktoren

Bekannt und wissenschaftlich bewiesen sind einige Faktoren, die das Risiko erhöhen, an einer Leukämie zu erkranken, z. B.

  • Kontakt zu Chemikalien wie Benzol (eine Kohlenwasserstoffverbindung in Benzin, Erdöl und Teer) oder Zytostatika (Krebsmedikamente)
  • ionisierende Strahlung wie beim Röntgen oder durch im Erdboden vorkommendes Radon
  • genetische Faktoren (z. B. deutliche Risikoerhöhung beim Down-Syndrom).

Diskutiert werden weitere Faktoren, die aber noch nicht ganz sicher belegt sind, z. B.

  • onkogene (tumorauslösende) Viren wie die humanen T-lymphotropen Viren oder das Epstein-Barr-Virus
  • Lebensstilfaktoren wie Rauchen und Übergewicht.

Einteilung der Leukämien

Bei Blutkrebs ist die Einteilung hoch kompliziert und entwickelt sich ständig weiter. Grob unterteilt man die Leukämie zunächst in 4 verschiedene Haupttypen:

  • Nach dem Verlauf wird zwischen den rasch verlaufenden akuten Leukämien und den schleichend beginnenden chronischen Leukämien unterschieden.
  • Nach der Blutzellreihe wird in lymphatische Leukämien und myeloische Leukämien differenziert. Diese Einteilung bezieht sich also auf den Zelltyp, zu dem die entarteten Zellen ursprünglich hätten werden sollen: Lymphozyten bei der lymphatischen Leukämie oder Granulozyten oder Monozyten bei der myeloischen Leukämie.

Somit ergeben sich also vier verschiedene Haupttypen:

  • akute lymphatische Leukämie (ALL)
  • akute myeloische Leukämie (AML)
  • chronische lymphatische Leukämie (CLL)
  • chronische myeloische Leukämie (CML).

Klinik, Verlauf und Komplikationen

Leukämie-Patient*innen bemerken zunächst uncharakteristische Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und eine abnehmende Leistungsfähigkeit mit Herzklopfen, Pulsrasen, Schwindel und Atemnot bei körperlicher Belastung. Sie sind auffallend blass und bei größerer Anstrengung kommt es häufiger vor, dass sie kollabieren.

Hinzu kommen 3 typische Begleitsymptome (B-Symptomatik): Fieber, Nachtschweiß und ein deutlicher Gewichtsverlust von mehr als 10 % innerhalb von 6 Monaten. Diese Symptom-Trias ist charakteristisch für bösartige Erkrankungen wie Krebs, Tuberkulose und AIDS. Sie findet sich sehr häufig – aber nicht immer vollständig – auch bei Leukämie-Patient*innen.

  • Durch die schlechte Immunabwehr neigen die Betroffenen zudem zu Infektionen und "nehmen alles mit", was an Erregern herumfliegt. Häufiger als Gesunde werden sie von Atemwegs- und Magen-Darm-Infekten heimgesucht und brauchen längere Zeit, um sich davon zu erholen. Auch Mundsoor und wiederholte Herpes-Bläschen bis hin zur Gürtelrose weisen auf die schlechte Abwehrlage hin.
  • Der Mangel an Blutplättchen beeinträchtigt die Blutgerinnung, was sich in auffallend vielen blauen Flecken und häufigen Nasen-, Zahnfleisch- und Mundschleimhautblutungen zeigt. An der Haut können sich neben den blauen Flecken auch kleine stecknadelkopfgroße rote Flecke zeigen, v. a. an den Beinen und Armen.
  • Milz und Leber versuchen, den Mangel an funktionierenden Blutzellen auszugleichen und vergrößern sich, was sich manchmal durch ein Druckgefühl oder Schmerzen im Oberbauch bemerkbar macht.
  • Bei den akuten Leukämie-Formen treten all diese Beschwerden in kurzer Zeit auf und nehmen schnell zu. Chronische Leukämien entwickeln sich schleichend und können auch lange Zeit ohne Beschwerden verlaufen.
  • Je nach Leukämieform kommen weitere Symptome hinzu. Diese reichen von geschwollenen Lymphknoten (v. a. bei lymphatischer Leukämie), Juckreiz und Nesselsucht (bei chronischer lymphatischer Leukämie) bis hin zu Knochen- und Gelenkschmerzen, Hodenschwellung, Kopfschmerzen, Nackensteife und Nervenausfällen (bei akuter Leukämie).

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung

Eine Verdachtsdiagnose ist meist schon aufgrund des Blutbilds möglich. Das zeigt bei den akuten Leukämien Vorstufen der weißen Blutkörperchen (Blasten) und bei den chronischen Leukämien viel zu viele weiße Blutkörperchen. Eine Knochenmarkuntersuchung ist trotzdem immer erforderlich, um die Leukämie exakt zu klassifizieren und die Behandlung zu planen. Außerdem wird durch Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen, CT, Kernspin und bei der akuten lymphatischen Leukämie auch durch eine Liquoruntersuchung geklärt, welche Organe außer dem Knochenmark befallen sind. Weitere Untersuchungen können je nach geplanter Behandlung erforderlich sein. Bei einigen Therapieformen müssen nämlich bestimmte Vorerkrankungen ausgeschlossen oder zumindest behandelt sein.

Differenzialdiagnosen. Neben den vielen Formen der Leukämie gibt es noch etliche weitere Erkrankungen, die der Leukämie ähneln und die sich z. T. auch zur Leukämie weiterentwickeln können.

Hierzu zählen die Myelodysplasien, bei denen das Knochenmark viele abnorme Blutzellvorstufen enthält. Da diese sich jedoch nicht mehr zu funktionsfähigen Blutzellen weiterentwickeln, finden sich im Blut meist zu wenige rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen. Die Myelodysplasien treten v. a. bei Über-50-Jährigen auf. Sie nehmen meist einen langsamen Verlauf, können aber in eine akute (myeloische) Leukämie übergehen.

Verwandt mit der Leukämie sind die myeloproliferativen Erkrankungen wie die Polyzythämie, die essenzielle Thrombozythämie und die Osteomyelofibrose. Bei den myeloproliferativen Erkrankungen wuchern ebenfalls bestimmte Blutzellarten im Knochenmark. Die Erkrankungen verlaufen relativ langsam über Jahre, können ineinander übergehen und sich auch zu einer Leukämie entwickeln.

Dann gibt es noch die leukämisch verlaufenden Lymphome – Krebserkrankungen, die von entarteten weißen Blutkörperchen, den Lymphozyten, ausgehen und meist in den Lymphknoten, aber auch im Knochenmark und anderen Lymphorganen wie der Milz vorkommen. Bei den Lymphomen gibt es ebenfalls zahlreiche verschiedene Typen und die Beschwerden sind der Leukämie sehr ähnlich.

Behandlung

Therapie der akuten Leukämie (AML und ALL).

In der ersten Behandlungsphase (Induktionsbehandlung) wird versucht, die Patient*innen durch eine aggressive Chemotherapie in eine komplette Remission zu bringen. Komplette Remission heißt, dass alle Leukämiezellen aus dem Körper entfernt sind. Blutbild und Knochenmark sehen dann wieder "normal" aus. Danach schließt die Konsolidierungsbehandlung an. Dabei wird versucht, die eingetretene Besserung zu stabilisieren. Sodann folgt eine weniger belastende Erhaltungstherapie. Die Chemotherapie wird dabei in niedriger Dosierung fortgesetzt.

Zusätzlich zur Chemotherapie kommen oft auch noch andere Medikamente zum Einsatz, z. B. monoklonale Antikörper (Abwehrstoffe, die sich direkt gegen die Leukämiezellen richten) oder Proteinkinaseinhibitoren (Hemmstoffe, die ganz bestimmte Enzyme unterdrücken und so das Wachstum der Krebszellen unterbinden).

Bei einigen Patient*innen wird in der Konsolidierungsphase zusätzlich eine Stammzelltransplantation durchgeführt. Hierbei werden die in der Chemotherapie zerstörten kranken Stammzellen durch gesunde Stammzellen einer Spender*in ersetzt.

Therapie der chronischen myeloischen Leukämie (CML). Eine chronisch myeloische Leukämie macht zunächst vielleicht weniger Beschwerden als akute Leukämie-Formen. Irgendwann geht sie aber in eine kaum behandelbare Blastenkrise über, die einer akuten Leukämie ähnelt. Dann werden massenhaft unreife weiße Blutkörperchen produziert, die keine Funktion mehr erfüllen. Deshalb müssen auch CML-Patient*innen recht aggressiv behandelt werden. Hierzu kommen Proteinkinaseinhibitoren zum Einsatz, die individuell für die Patient*innen ausgewählt werden. Wichtig ist eine sorgfältige Auswahl des Wirkstoffes, eine intensive Therapieüberwachung und ggf. ein Wechsel des Wirkstoffs, wenn die Behandlung nicht mehr anschlägt oder bestimmte Risikofaktoren wie eine Hepatitis-B-Infektion vorliegen.

In bestimmten Situationen wird auch bei der CLM eine Stammzelltransplantation durchgeführt, z. B. wenn die Erkrankung schon recht weit fortgeschritten ist.

Kommt es im Erkrankungsverlauf zur Blastenkrise, muss auch bei der CML zusätzlich eine Chemotherapie begonnen werden.

Therapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL). Die Behandlung dieser Erkrankung ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig und wandelt sich beständig. Allgemein gilt: Je fitter die Patient*in ist, desto intensiver kann therapiert werden. Zur Anwendung kommen dabei zahlreiche Medikamente wie Proteinkinaseinhibitoren, monoklonale Antikörper und verschiedene Chemotherapeutika. Gebrechliche Patient*innen werden nur unterstützend behandelt. Die CLL spricht schlechter auf medikamentöse Behandlungen an als andere Leukämieformen. Nur eine Stammzelltransplantation führt zur Heilung, ist aber nicht bei allen Patient*innen durchführbar.

Prognose

Die Leukämie galt früher, insbesondere bei älteren Patient*innen, als unheilbar und tödlich. Durch neue Therapieformen und intensive Forschung hat sich die Prognose aber deutlich verbessert. Insgesamt hängen die Heilungsaussichten von zahlreichen Faktoren ab, insbesondere vom Alter, der Leukämieform und -variante, zusätzlichen Erkrankungen und dem Ansprechen auf einzelne Wirkstoffe.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Hilfe durch Angehörige. Sowohl die Erkrankung als auch die Behandlung schwächen die Immunabwehr so stark, dass Leukämie-Patient*innen häufig für eine gewisse Zeit in einem keimarmen Zimmer untergebracht werden müssen. Die Betroffenen dürfen das Zimmer nicht verlassen und nur wenig Besuch empfangen. Leiden die Betroffenen sehr unter der Isolierung, kann man als Angehörige ruhig Verwandte und Bekannte zu Anrufen oder Briefen motivieren und diese auch zeitlich etwas verteilen. Bei vielen Patient*innen stellt sich die Frage nach einer Stammzelltransplantation. Sowohl die Entscheidungsfindung als auch das Warten auf eine geeignete Spende erhöhen die psychische Belastung. Hier sind die Angehörigen stark als Beistand gefordert.

Selbsthilfegruppen. Auch Selbsthilfegruppen stehen Betroffenen und ihren Angehörigen mit Rat und Tat zur Seite. Oft hilft es Leukämie-Patient*innen besonders, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, weil diese die zahlreichen Einschränkungen, Belastungen und Begleiterscheinungen der Erkrankung am besten verstehen können.

Psychoonkologie. Eine psychoonkologische Betreuung unterstützt Betroffene in allen Erkrankungsphasen. Sie klärt über Behandlungskomplikationen auf und gibt Tipps wie sich diese vermeiden oder reduzieren lassen. Im Bedarfsfall kann über die Psychoonkologie auch eine psychotherapeutische Behandlung eingeleitet werden.

Weiterführende Informationen

| Von: Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Daniela Grimm

Lymphome, maligne

[Maligne] Lymphome (bösartige Lymphome, oft nicht ganz korrekt auch Lymphknotenkrebs genannt): Sammelbezeichnung für verschiedene bösartige Erkrankungen der Lymphozyten, die oft in den Lymphknoten beginnen. Die malignen Lymphome werden unterteilt in Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome. Hodgkin-Lymphome (so genannt nach ihrem Erstbeschreiber Thomas Hodgkin) betreffen eher Jugendliche und junge Erwachsene, Non-Hodgkin-Lymphome treten bevorzugt im mittleren und höheren Lebensalter auf. Behandlung und Aussichten sind von der genauen Art des Lymphoms abhängig und sehr unterschiedlich.

Leitbeschwerden

  • Schmerzlose Lymphknotenvergrößerung (tastbare „Knoten“) am Hals, in der Achsel oder der Leiste
  • Möglicherweise uncharakteristische Allgemeinbeschwerden wie etwa Müdigkeit oder verminderte Leistungsfähigkeit. Besonders charakteristisch sind dabei die sogenannten B-Symptome: Gewichtsverlust von über 10 % im letzten halben Jahr, Nachtschweiß und unklares Fieber über 38 ºC 
  • Möglicherweise Hautjucken
  • Selten, aber ebenfalls charakteristisch: Schmerzen in den vergrößerten Lymphknoten nach Alkoholgenuss (Alkoholschmerz)

Wann zum Arzt

In der nächsten Woche, wenn eine Lymphknotenschwellung länger als drei Wochen besteht. Die kritische Größe ist ~ 1,5 cm, da Lymphknoten nach Entzündungen nicht selten auf Dauer etwas größer sind als vorher.

Die Erkrankung

Die Bezeichnung maligne Lymphome umfasst Krebse durch entartete Zellen des lymphatischen Immunsystems. Die durch Metastasen Tochtergeschwülste verursachten, ebenfalls bösartigen Lymphknotenvergrößerungen zählen nicht dazu.

Die Ursache maligner Lymphome ist, von Ausnahmen abgesehen, bis heute unklar und mit Sicherheit bei den verschiedenen Untergruppen nicht einheitlich. Bei einigen Formen spielen Viren eine Rolle, vor allem das Epstein-Barr-Virus, bei anderen wird der sich im Lauf des Lebens summierenden Schadstoffbelastung ein Einfluss zugeschrieben, die sich in den als „Sondermüllsammelstellen“ arbeitenden Lymphknoten anreichert.

  • Hodgkin-Lymphome gehen von entarteten (B-)Lymphozyten der Lymphknoten aus. Sie heißen nach ihren Erstbeschreibern Hodgkin- und Reed-Sternberg-Zellen. Hodgkin-Lymphome sind sehr gut behandelbar – lange Zeit war sogar unklar, ob die Erkrankung überhaupt bösartig ist.
  • Alle anderen bösartigen Lymphome heißen Non-Hodgkin-Lymphome. Ihre Einteilung ist durch die neuen zyto- und molekulargenetischen Untersuchungen noch komplizierter geworden, denn zu den Non-Hodgkin-Lymphomen gehören nun auch die lymphatischen Leukämien. Und durch die Tatsache, dass derzeit mehrere Einteilungen nebeneinander in Gebrauch sind, wird das Ganze noch unübersichtlicher. Non-Hodgkin-Lymphome können von B- oder T-Lymphozyten ausgehen. Die indolenten Non-Hodgkin-Lymphome zeigen einen langsamen Verlauf , z. B. chronische lymphatische Leukämie, die sehr aggressiven Non-Hodgkin-Lymphome verlaufen ohne Behandlung rasch tödlich z. B. bestimmte akute Leukämien. Die aggressiven Non-Hodgkin-Lymphome z. B. Plasmozytom liegen irgendwo dazwischen. Als Faustregel kann aber gelten, dass sich Non-Hodgkin-Lymphome viel schneller als Hodgkin-Lymphome im Körper ausbreiten, v. a. ins Knochenmark, wo sie zu einer Störung der Blutbildung führen.

Plasmozytom. Ein verhältnismäßig häufiges Non-Hodgkin-Lymphom ist das Plasmozytom, das vor allem bei älteren Menschen über 60 Jahren auftritt. Die entarteten Plasmazellen (ausgereifte Form der B-Lymphozyten) produzieren ein einziges Immunglobulin, oder Bruchstücke davon, das auch als Paraprotein bezeichnet wird. Das Plasmozytom bereitet erst spät Beschwerden, vor allem Knochenschmerzen und Knochenbrüche, da Knochensubstanz an vielen Stellen aufgelöst wird (wie ausgestanzt).

Das macht der Arzt

Zur Diagnosesicherung wird ein Lymphknoten entfernt und unter dem Mikroskop untersucht. Dies ist für den Patienten kaum belastend, da in aller Regel ein Lymphknoten direkt unter der Haut herausgenommen werden kann. Ergibt die feingewebliche Untersuchung des Lymphknotens ein Lymphom, folgt die Ausbreitungsdiagnostik, ohne die keine Behandlungsplanung möglich ist. Neben verschiedenen Ultraschalluntersuchungen, CT und Kernspin umfasst sie fast immer eine Knochenmarkuntersuchung.

Therapie von Hodkin-Lyphomen. Durch eine Chemotherapie mit nachfolgender Strahlenbehandlung werden bei den Hodgkin-Lymphomen Langzeitüberlebensraten von 70–95 % erreicht. Mediziner bemühen sich derzeit, die Behandlung noch individueller zu gestalten, z. B. Patienten mit besonders guten Aussichten herauszufinden, um ihnen eventuell die Bestrahlung zu ersparen, oder umgekehrt die wenigen Patienten möglichst früh herauszufiltern, die bislang nicht geheilt werden können, da sie möglicherweise von anderen Behandlungen profitieren.

Therapie von Non-Hodgkin-Lymphomen. Bei Non-Hodgkin-Lymphomen gibt es kein einheitliches Vorgehen. Generell werden indolente Lymphome eher spät, aggressive Non-Hodgkin-Lymphome hingegen ähnlich wie akute Leukämien behandelt. Die Aussichten für den Patienten sind von Tumor zu Tumor sehr unterschiedlich, aber insgesamt schlechter als bei Hodgkin-Lymphomen.

Weiterführende Informationen

  • www.leukaemie-hilfe.de – Internetseite der Deutschen Leukämie- und Lymphom-Hilfe e. V. (DLH, Bonn): Selbsthilfeorganisation für Erwachsene mit Leukämien und Lymphomen.
  • www.lymphome.de – Kompetenznetz Maligne Lymphome, Köln: Internetseite mit Informationen zu den Erkrankungen und Behandlungsstudien.

| Von: Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Polyglobulie und Polyzythämie

Polyglobulie (Erythrozytose): Überschießende Bildung roter Blutkörperchen. Eine Polyglobulie kann als primäre, eigenständige Erkrankung auftreten, dann spricht man von Polyzythämie oder genauer Polycythaemia vera. Häufiger tritt eine Polyglobulie als Folge einer anderen Krankheit auf. Dies nennt man sekundäre Polyglobulie. Beide Erkrankungsformen verursachen eine Eindickung des Blutes, die zu Durchblutungsstörungen führt. Die Betroffenen leiden dadurch z. B. an Kopfschmerzen, Schwindel und Ohrensausen. Auch Juckreiz kann auftreten. Behandelt wird die Polyglobulie durch regelmäßigen Aderlass, bei dem Blut entnommen und durch Flüssigkeit ersetzt wird. Bei der Polyzythämie werden zusätzlich Medikamente verordnet, die die Bildung neuer Blutkörperchen unterdrücken. Bei der sekundären Polyglobulie steht die Behandlung der auslösenden Krankheit im Vordergrund. Die Prognose variiert je nach der auslösenden Ursache. Ohne Behandlung drohen Gefäßverschlüsse bis hin zum Schlaganfall oder Herzinfarkt.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Gerötetes Gesicht, blaurote Lippen
  • Ohrensausen oder Ohrgeräusche
  • Kopfschmerzen, Schwindel
  • Juckreiz, v. a. nach Wasserkontakt und durch Reibung
  • Empfindungsstörungen in der Haut wie Kribbeln oder Ameisenlaufen
  • Plötzlich auftretende Schmerzen, Rötung und Schwellung der Finger oder der Zehen
  • Krampfartige Schmerzen in den Beinmuskeln beim Laufen.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen, wenn die oben genannten Symptome regelmäßig oder dauerhaft auftreten.

Sofort den Notruf wählen bei plötzlicher Luftnot, Schmerzen im Brustkorb, Lähmungen, Sprach- oder Sehstörungen.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) werden im Knochenmark gebildet und von dort in den Blutkreislauf freigesetzt. Im Blut zirkulieren sie unermüdlich durch den Körper und transportieren dabei den Sauerstoff aus der Lunge in die Organe und Gewebe. Die Lebensdauer eines roten Blutkörperchens beträgt etwa 120 Tage. Dann wird es von der Milz aus dem Blut herausgefiltert und abgebaut. Die Nieren überwachen den Sauerstoffgehalt des Blutes. Sinkt dieser zu stark ab, schütten sie ein Hormon aus, das Erythropoetin (EPO). Dieses Hormon gibt dem Knochenmark das Signal, mehr rote Blutkörperchen zu bilden. Auf diese Weise werden bei Gesunden die Bildung und der Abbau der Erythrozyten in Balance gehalten.

Eine überschießende Bildung roter Blutkörperchen kann 3 verschiedene Auslöser haben. Entweder es ist zu wenig Sauerstoff oder zu viel EPO im Körper oder das Knochenmark bildet von sich aus zu viel.

Ursachen und Risikofaktoren

Zu wenig Sauerstoff. Die häufigste Ursache für ein Zuviel an roten Blutkörperchen ist das Rauchen, gefolgt von chronischen Lungen- und Herzerkrankungen, die einen Sauerstoffmangel (Hypoxie) auslösen.

Auch bei Bergsteigern oder Urlaubern im Hochgebirge kommt es zu einem Sauerstoffmangel im Gewebe, weil in den Höhenlagen weniger Sauerstoff in der Luft ist. Auch diese Personen bilden dann mehr rote Blutkörperchen, um den Sauerstoffmangel auszugleichen. Man spricht in dem Fall von einer physiologischen Höhenpolyglobulie, denn es handelt sich dabei nicht um eine Krankheit, sondern um einen normalen Kompensationsmechanismus des Körpers.

Zu viel Erythropoetin. Die Nieren sind der Hauptbildungsort für EPO. Wenn zu viel EPO im Körper ist, liegt das meist daran, dass ein Nierentumor oder seltener eine andere Nierenerkrankung die Bildung des Hormons ankurbelt. Auch die Leber, das Gehirn, die Milz, die Gebärmutter und die Hoden bilden EPO, deshalb können auch Tumoren in diesen Organen einen EPO-Überschuss hervorrufen. Die Hormonbildung kann aber auch "von außen" angeregt werden, z. B. durch Anabolika oder eine Behandlung mit männlichen Hormonen (Androgene). Nicht zuletzt spritzen sich manche Sportler*innen EPO als Dopingmittel.

Neben Erythropoetin stimuliert auch das Hormon Cortisol die Bildung roter Blutkörperchen. Deshalb kann auch ein Zuviel an Cortisol, z. B. beim Cushing-Syndrom, eine Polyglobulie verursachen. Diese Patient*innen haben aber zahlreiche andere, z. T. schwerwiegende Beschwerden und die Polyglobulie steht im Hintergrund.

Überaktives Knochenmark. Bildet das Knochenmark von sich aus zu viele Erythrozyten – also ohne durch ein Hormon-Signal dazu aufgefordert zu werden – nennt man das primäre Polyglobulie. Meist liegt dann eine myeloproliferative Erkrankung vor, also ein Zustand, bei dem sich die Stammzellen im Knochenmark ungebremst vermehren. Hierzu zählt die Polyzythämia vera. Diese Erkrankung tritt im Vergleich zu den sekundären Polyglobulien eher selten auf und betrifft v. a. Ältere.

Daneben gibt es noch weitere Ursachen für eine Polyglobulie, zum Beispiel erbliche Genmutationen wie die primäre familiäre Polyzythämie, Erkrankungen des roten Blutfarbstoffs wie die Methämoglobinämie, verschiedene Vergiftungen (z. B. mit Arsen, Blei oder Kupfer) und das Pickwick-Syndrom. Diese sind aber sehr selten.

Klinik

Ein auffallendes Anzeichen für eine Polyglobulie ist die Gesichtsröte. Auf den ersten Blick scheinen die Betroffenen daher eine besonders "gesunde" Gesichtsfarbe zu haben. Oft zeigen sie aber auch blau-rot gefärbte Lippen, die das Zuviel des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin sichtbar machen.

Beschwerden machen vor allem die Durchblutungsstörungen, die durch die zu vielen Blutkörperchen in den Blutgefäßen auftreten. Sie zeigen sich zunächst in allgemeinen Symptomen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Ohrensausen oder Ohrgeräuschen. Auch Empfindungsstörungen wie Hautkribbeln oder Ameisenlaufen können hinzukommen. Manchmal schwellen anfallsweise die Finger oder Zehen schmerzhaft an. Sie sind dann auch rot verfärbt. Ein charakteristisches Symptom ist unerklärlicher Juckreiz, der v. a. nach Wasserkontakt, bei Wärme und durch Reibung ausgelöst wird, also zum Beispiel, wenn sich die Betroffenen nach einem warmen Bad mit dem Handtuch abrubbeln.

Alle diese Symptome entstehen schleichend und treten dann immer öfter oder dauerhaft auf.

Verlauf

Im Erkrankungsverlauf nehmen die Durchblutungsstörungen zu.

Das Blut kann so weit eindicken, dass Beinvenen verstopfen. Die Beine sind dann schwer und geschwollen und beim Laufen zwingen zunehmende Schmerzen zum Stehenbleiben. Man nennt das Schaufensterkrankheit, weil die Betroffenen regelmäßig alle paar Schritte – also quasi an jedem Schaufenster – stehen bleiben müssen.

Da das Herz gegen den Widerstand der vielen Blutzellen anpumpen muss, schlägt es schneller und kräftiger. Auch der Blutdruck kann steigen.

Treten die Durchblutungsstörungen im Gehirn auf, zeigt sich das z. B. durch Konzentrationsstörungen oder Sehstörungen.

Bei der Polyzythämia vera kommt es im Krankheitsverlauf zusätzlich zu Oberbauchschmerzen durch eine Milzvergrößerung (Splenomegalie) sowie zu Müdigkeit, Gewichtsverlust und Blutungen.

Komplikationen

Im schlimmsten Fall schreiten die Durchblutungsstörungen so weit voran, dass ein Schlaganfall, Herzinfarkt oder eine Lungenembolie ausgelöst wird. Diese Komplikationen sind lebensbedrohlich und müssen sofort als Notfall behandelt werden.

Diagnosesicherung

Die Ärzt*in fragt zunächst ausführlich nach den Beschwerden und führt dann eine körperliche Untersuchung durch, bei der auch der Blutdruck gemessen, das Herz abgehört und der Bauch abgetastet wird. Dann wird eine Blutuntersuchung eingeleitet, die schnell die Erhöhung der Erythrozytenzahl und des roten Blutfarbstoffs anzeigt. Je nach Erkrankungsauslöser kann auch ein Zuviel oder Zuwenig des Hormons Erythropoetin im Blut nachgewiesen werden.

Um den Auslöser der Polyglobulie zu finden, werden dann weitere Untersuchungen eingeleitet, z. B. ein Ultraschall des Bauches, ein Röntgen des Brustkorbs und eine Lungenfunktionsprüfung.

Die Diagnosesicherung der Polyzythämie erfordert eine Knochenmarkuntersuchung. Im Zweifel kann die Polyzythämia vera bei fast allen Betroffenen durch eine molekulargenetische Blutuntersuchung nachgewiesen werden. Hierbei wird eine JAK2-Mutation aufgedeckt, also eine genetische Störung, die für die unkontrollierte Vermehrung der Knochenmarks-Stammzellen verantwortlich ist.

Differenzialdiagnose. Manche Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel und Ohrensausen sind sehr allgemein und können bei unzähligen anderen Erkrankungen auftreten. Andere Symptome der Polyglobulie sind sehr typisch für die Erkrankung, z. B. die Hautfarbe und der charakteristische Juckreiz. Auch das Blut lässt wenig Zweifel an der Polyglobulie. Lediglich eine sogenannte "Pseudoglobulie" bei einem starken Flüssigkeitsverlust kann ebenfalls zu einem scheinbaren Zuviel an Erythrozyten und rotem Blutfarbstoff führen. Dann treten die Symptome aber sehr plötzlich auf und die Hauptsymptome des starken Flüssigkeitsverlust, z. B. durch schweren Durchfall, Schock oder Verbrennung, stehen im Vordergrund. Das Hauptaugenmerk bei der Diagnostik einer Polyglobulie liegt also darin, die auslösende Ursache festzustellen, die wie oben beschrieben von harmlosen Höhenaufenthalten über Lungen- und Herzerkrankungen bis hin zu Tumor- und Knochenmarkserkrankungen reichen können.

Behandlung

Gefährlich werden alle Polyglobulien durch die Durchblutungsstörungen, die im schlimmsten Fall zum lebensbedrohlichen Schlaganfall, Herzinfarkt oder einer Lungenembolie führen können. Als "Erstmaßnahme" wird den Patient*innen deshalb zur Blutverdünnung durch einen Aderlass Blut entnommen und durch Flüssigkeit ersetzt.

Bei sekundären Polyglobulien richtet sich die weitere Behandlung dann nach der auslösenden Ursache. Bei Sauerstoffmangel wird die Therapie gegebenenfalls durch die Gabe von Sauerstoff unterstützt.

Bei der Polyzythämie können regelmäßige Aderlässe und eine medikamentöse Behandlung mit Interferon und/oder Hydroxyharnstoff die Anzahl der Zellen meist über Jahre gut senken. Diese beiden Medikamente hemmen die übermäßige Bildung und Reifung der Blutzellen im Knochenmark. Interferon fördert zusätzlich den Abbau überzähliger Blutzellen. Bei Unverträglichkeit oder ungenügender Wirksamkeit dieser Arzneimittel kommen alternativ andere Medikamente zum Einsatz, z. B. ein JAK2-Inhibitor, der die unkontrollierte Vermehrung der Stammzellen im Knochenmark unterdrückt.

Der Juckreiz lässt sich mit Antihistaminika oder UV-Licht behandeln.

Bei jungen Patient*innen mit Polyzythämia vera wird bei einem schweren Krankheitsverlauf auch eine Stammzelltransplantation in Betracht gezogen. Das heißt, dass die kranken körpereigenen Stammzellen zunächst durch eine Chemotherapie vollständig zerstört werden und anschließend gesunde Stammzellen übertragen werden, z. B. von gesunden Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern oder auch von Fremdspender*innen.

Prognose

Die Prognose einer Polyglobulie hängt sehr von der auslösenden Ursache ab. Bei Raucher*innen kann schon eine Rauchentwöhnung helfen, um die Anzahl der roten Blutkörperchen wieder zu normalisieren. Chronische Lungen- und Herzerkrankungen sind dagegen oft nicht heilbar. Bei Tumorerkrankungen ist die Art des Tumors ausschlaggebend für die Prognose.

Die Polyzythämia vera lässt sich meist über viele Jahre gut kontrollieren und die Betroffenen können ein fast normales Leben führen. Die Erkrankung kann jedoch in eine Leukämie übergehen.

Unbehandelt beträgt die Überlebenszeit der Patient*innen wegen der lebensgefährlichen Gefäßverschlüsse nur wenige Jahre.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Rauchentwöhnung. Wie sehr das Rauchen die Gesundheit gefährdet, ist hinlänglich bekannt. Trotzdem fällt es den meisten Raucher*innen schwer, ihre Nikotinsucht in den Griff zu bekommen. Unterstützen kann Sie dabei ein Rauchentwöhnungsprogramm. Dieses umfasst neben verschiedenen Nikotinersatzprodukten auch ein Nichtrauchertraining (eine Form der Verhaltenstherapie) und die Schulung in alternativen Methoden zur Bedürfnisbefriedigung. Lassen Sie sich von Ihrer Ärzt*in und Apotheker*in dazu beraten.

Risikominimierung. Um das Risiko eines Gefäßverschlusses zu reduzieren, können Betroffene aktiv mitwirken. Bewegen Sie sich regelmäßig und vermeiden Sie langes Sitzen, um den Kreislauf in Schwung zu halten. Trinken Sie immer ausreichend Flüssigkeit, um ein noch stärkeres Eindicken des Blutes zu verhindern. Übergewicht sollte durch eine kontrollierte Gewichtsabnahme normalisiert werden.

Prävention

Außer durch eine allgemein gesunde Lebensweise lassen sich einer Polyglobulie und Polyzythämie nicht gezielt vorbeugen. Die Polyzythämia vera ist zwar nicht vererbbar, aber in manchen Familien treten myeloproliferative Erkrankungen besonders häufig auf. Wenn mehrere Familienmitglieder von einer Blut- oder Krebserkrankung betroffen sind, empfiehlt sich daher eine genetische Beratung in einer humangenetischen Praxis.

Weiterführende Informationen

Leben mit Blutkrankheiten

| Von: Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Daniela Grimm

Porphyrie

Häufigkeit: 1

Porphyrien: Seltene, meist angeborene Stoffwechselerkrankungen mit Ansammlung verschiedener Zwischenprodukte, die bei der Bildung des roten Blutfarbstoffs entstehen. Diese Zwischenprodukte heißen Porphyrine. Je nach Form der Erkrankung lagern sich die Porphyrine in verschiedenen Organen ab und verursachen so unterschiedlichste Symptome: von Bauchkoliken über Bluthochdruck und Herzrasen bis hin zu Hautveränderungen, psychischen und neurologischen Beschwerden. Die häufigsten Porphyrie-Formen sind die akute intermittierende Porphyrie und die chronisch-hepatische Porphyrie. Behandelt werden Porphyrien im akuten Anfall mit Infusionen sowie mit Medikamenten gegen die jeweiligen Beschwerden, z. B. mit Schmerzmitteln oder Herzmedikamenten. Sowohl bei akuten als auch bei chronischen Formen müssen Betroffene die Auslöser und Risikofaktoren kennen und lebenslang meiden, da Porphyrien nicht heilbar sind.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Krampfartige Bauchschmerzen
  • Herzrasen, Unruhe
  • Bewusstseinsstörungen, Empfindungsstörungen
  • Starke Lichtempfindlichkeit der Haut mit Blasenbildung, Hautrissen und Wundheilungsstörungen.

Wann in die Arztpraxis

Am selben Tag, wenn plötzliche starke Bauchschmerzen oder Herzrasen ohne erkennbare Ursache auftreten.

In den nächsten Tagen bei den oben beschriebenen Hautveränderungen nach Sonnenlichteinwirkung.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Das Eisen des roten Blutfarbstoffs ist an Porphyrin (ein ringförmiges Molekül) gebunden, beide zusammen werden als Häm bezeichnet. Ist durch ein Enzymdefekt die Porphyrinbildung gestört, wird dessen Produktion stark angekurbelt, da nur so ausreichend roter Blutfarbstoff hergestellt werden kann.

Die im Überschuss produzierten atypischen und inkompletten Porphyrine werden nicht nur mit dem Urin ausgeschieden, sondern reichern sich auch im Gewebe an, v. a. in Haut, Knochen, Knorpel, Leber und Nervengewebe, und wirken dort toxisch.

Ursachen und Risikofaktoren

Wird der Körper in einem akuten Schub mit Porphyrinen überschwemmt, kommt es zu einem akuten Porphyrie-Anfall. Auslöser dafür können zahlreiche Faktoren sein. Auch die chronischen Formen der Porphyrie werden durch Risikofaktoren verschlimmert.

Zu den auslösenden Faktoren zählen u. a.

  • Alkohol
  • Medikamente, z. B. verschiedene Schlaf- und Beruhigungsmittel, Hormonpräparate, Antiepileptika, Sulfonamid-Antibiotika
  • Hunger, Flüssigkeitsverlust
  • hormonelle Schwankungen
  • Operationen
  • emotionaler Stress
  • Infektionskrankheiten.

Klinik, Verlauf und Komplikationen

Unterschieden werden hepatische (Leber-) oder erythropoetische (Blutbildungs-) Porphyrien sowie akute oder chronische und kutane (Haut-) oder nicht-kutane Formen.

Akute intermittierende Porphyrie. Die angeborene akute intermittierende Porphyrie zeigt sich anfallsartig mit krampfartigen, teilweise unerträglich starken Bauchschmerzen, die auch begleitet sein können von Fieber, Übelkeit und Erbrechen sowie Verstopfung (oder selten von Durchfall). Den Erkrankten wird deshalb oft der Blinddarm entfernt, weil die Symptomatik sehr gut zu einer Blinddarmentzündung passt. Weitere Symptome sind Unruhe mit Herzrasen, Bluthochdruck und manchmal Herzstolpern (Herzrhythmusstörungen). Betroffene leiden mitunter auch an Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Antriebsschwäche bis hin zu Depressionen und Bewusstseinsstörungen. Diese Symptome können schon vor dem akuten Anfall auftreten. Bei schweren Anfällen zeigen sich auch neurologische Störungen, z. B. Bewusstseinsstörungen, Muskelschwäche, Zittern, Empfindungsstörungen, Krampfanfälle oder Lähmungen. Die Muskelschwäche und Lähmungen beginnen meist an Schultern und Armen und können bis auf die Atemmuskeln übergreifen. Dann kommt es zur Atemnot.

Chronisch-hepatische Porphyrie. Die chronisch-hepatische Porphyrie wird auch als Porphyria cutanea tarda bezeichnet, weil sie v. a. die Haut betrifft (cutanea = an der Haut). Sie tritt meist sporadisch (also nicht erblich) auf, nur etwa 20 % der Fälle sind angeboren. Ab dem mittleren Erwachsenenalter – bei der angeborenen Form früher – wird die Haut sehr lichtempfindlich. Es bilden sich blutige Blasen, v. a. an den Handrücken, an den Armen und im Gesicht, also an Körperstellen, die vermehrt der Sonne ausgesetzt sind. Die Blasen reißen ein, verschorfen und heilen lange nicht ab. Insgesamt wird die Haut sehr verletzlich und heilt nur schwer. Die Sonneneinstrahlung kann auch Juckreiz, Schwellungen und Rötungen hervorrufen und den Haarwuchs verstärken. Manchmal bilden sich Flecken auf der Haut. Bei dieser Erkrankungsform kann die Leber geschädigt werden, insbesondere wenn Alkoholkonsum, die Einnahme von Östrogenen oder eine Hepatis-Infektion hinzukommen.

Neben diesen beiden häufigsten Formen der Porphyrie gibt es weitere, seltenere Formen, z. B.:

Die dritthäufigste Porphyrie ist die erythropoetische Protoporphyrie. Die Erkrankung ist erblich, beginnt bereits in der Kindheit und verursacht Juckreiz, Brennen und Rötungen der Haut nach Sonnenlichteinstrahlung sowie Gallensteine. Manchmal schädigt diese Porphyrie-Form auch die Leber.

Bei der hereditären Koproporphyrie haben die Patient*innen sowohl akute Symptome wie bei der akuten intermittierenden Porphyrie, als auch chronische Hautveränderungen wie bei der chronisch hepatischen Porphyrie.

Die kongenitale erythropoetische Porphyrie ist eine sehr seltene, aber besonders schwere Form der Porphyrie. Die Betroffenen leiden an einer extremen Lichtempfindlichkeit mit brennenden, auf der Haut aufsitzenden Blutblasen. Sie müssen das Sonnenlicht unbedingt meiden. Zusätzlich zeigen sie eine Blutarmut (Anämie) mit blasser Haut und Schleimhaut. Die Zähne sind typisch braunrot verfärbt (Erythrodontie). In schweren Fällen kommt es auch zu Missbildungen. Nase, Ohren und Finger können durch zu viel Sonnenlichteinwirkung verkrüppeln. Lippen, Zahnfleisch und Gaumen können schrumpfen, wodurch die Zähne hervortreten.

Übrigens: Wer beim Lesen dieser Beschreibung ein Bild von Graf Dracula im Kopf hatte – ein extrem lichtscheues Wesen mit blassem Gesicht, hervorstehenden, blutigen Zähnen und Blutstropfen auf Händen und Gesicht, als hätte es gerade Blut getrunken – mit dem ist nicht nur die Fantasie durchgegangen. Der berühmte Vampir Graf Dracula ist zwar eine erfundene Romanfigur, jedoch können die Mythen, Legenden und Geschichten, die sich um die Vampirwelt ranken, durchaus auf Betroffene dieser seltenen Porphyrie-Form zurückzuführen sein. Dazu passt auch, dass die im Knoblauch enthaltenen Schwefelverbindungen zu den Faktoren gehören, die diese spezielle Erkrankungsform verschlimmern, denn sie verstärken den Abbau des Blutfarbstoffs.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung

  • Bei Verdacht auf eine Porphyrie wird eine Urinprobe untersucht. Die übermäßig gebildeten Porphyrine werden nämlich nicht nur im Gewebe abgelagert, sondern auch vermehrt mit dem Urin ausgeschieden und lassen sich dort nachweisen.
  • Bei einigen Porphyrie-Formen färbt sich der Urin durch Sonneneinstrahlung rot und fluoresziert sogar unter einer Schwarzlichtlampe. Das ist aber nur ein "erster Hinweis".
  • Zum exakten Nachweis der Porphyrie und zur Bestimmung der Porphyrie-Form werden die erhöhten Porphyrine sowie verschiedene Porphyrinvorläufer im Urin und manchmal auch im Stuhl nachgewiesen, z. B. Porphobilinogen und δ-Aminolävulinsäure bei der akuten intermittierenden Porphyrie.
  • Sind diese Werte erhöht, schließen sich genetische Untersuchungen an, die den entsprechenden Enzymdefekt im Porphyrinstoffwechsel aufdecken.

Differenzialdiagnosen

Es gibt auch andere Ursachen für eine Erhöhung der Porphyrine im Urin. Hierzu zählen z. B. Blut-, Leber- und Infektionskrankheiten, hoher Alkoholkonsum, Vergiftungen mit bestimmten Substanzen wie Blei und Benzol oder ein erheblicher Hungerzustand. Man bezeichnet die Porphyrinerhöhung im Urin dann als sekundäre Porphyrinurie. Diese sekundäre Porphyrinurie ist oft der Grund, warum die Diagnose einer Porphyrie falsch gestellt wird.

Behandlung

Ein akuter Porphyrie-Anfall ist oft so schwer, dass die Patient*in auf einer Intensivstation mit Infusionen behandelt werden muss. Zusätzlich werden gezielt die einzelnen Beschwerden gelindert, z. B. mit Herzmedikamenten, schmerzstillenden und krampflösenden Medikamenten und Arzneimitteln gegen Übelkeit.

Bei der chronischen hepatischen Porphyrie wird Chloroquin und bei der erythropoetischen Protoporphyrie Cholestyramin verordnet. Diese beiden Medikamente fördern die Ausscheidung der Porphyrine.

Bei der chronischen hepatischen Porphyrie wird zudem durch Aderlässe versucht, die Leber zu entlasten. Durch diese gezielte Blutentnahme wird die Konzentration von Eisen und den Porphyrinen im Blut gesenkt.

Gegen die akute intermittierende Porphyrie gibt es ein regelmäßig einzunehmendes Medikament (Givosiran), das die Anfallshäufigkeit senken kann, indem es in der Leber die Bildung der Porphyrinvorläufer Porphobilinogen und δ-Aminolävulinsäure unterdrückt.

Bei allen Porphyrie-Formen ist wichtig, die auslösenden Faktoren zu kennen und möglichst zu meiden. Allem voran sollte auf Alkohol und Hormonpräparate (z. B. der Antibabypille) verzichtet werden. Chronische Infektionen wie Hepatitis C müssen behandelt werden und alle Medikamente, die die Beschwerden verschlimmern, dürfen nicht eingenommen werden. Bei den Porphyrie-Formen mit Lichtempfindlichkeit ist auf ausreichenden Sonnenschutz zu achten und direkte starke Sonneneinstrahlung möglichst zu vermeiden.

Bei einer Leberschädigung sind alle lebertoxischen und eisenhaltigen Medikamente tabu. Eine fortgeschrittene Leberschädigung erfordert eine Lebertransplantation.

Bei besonders schweren Erkrankungsverläufen wird auch eine Stammzelltransplantation in Betracht gezogen. Das heißt, dass die kranken körpereigenen Stammzellen im Knochenmark zunächst durch eine Chemotherapie vollständig zerstört werden und anschließend gesunde Stammzellen eines Spenders übertragen werden.

Prognose

Die Prognose hängt von der Form der Porphyrie ab. Bei der akuten intermittierenden Porphyrie und der chronischen hepatischen Porphyrie sind die Aussichten gut, wenn die Auslöser gemieden werden.

Auch bei der hereditären Koproporphyrie und der erythropoetischen Protoporphyrie kann das Fortschreiten der Erkrankung durch Meiden der Auslöser meist verhindert werden.

Treten bei der erythropoetischen Protoporphyrie oder der chronischen hepatischen Porphyrie auch Leberschädigungen auf, verschlechtert sich die Prognose.

Bei der kongenitalen erythropoetischen Porphyrie ist die Prognose ungünstig, weil die Anämie die Lebenserwartung begrenzt.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Notfallausweis. Lassen Sie sich von ihrer Arztpraxis einen Notfallausweis ausstellen, aus dem auch die "sicheren" und die "gefährlichen" Medikamente hervorgehen. So gelingt es Ihnen zuverlässig, alle anfallsauslösenden Medikamente zu vermeiden.

Sonnenschutz. Tragen Sie dichtgewebte, locker sitzende Kleidung sowie Hüte und geschlossene Schuhe. Sonnenschutzmittel mit Zinkoxid bieten einen gewissen Lichtschutz. Noch besser geeignet sind spezielle Sunblocker, die lichtundurchlässig sind (Dundee-Creme). Lassen Sie sich in ihrer Arztpraxis oder Apotheke dazu beraten.

Vitamin D. Betroffene, die Sonnenlicht meiden, sollten regelmäßig ihren Vitamin-D-Spiegel im Blut bestimmen lassen und Vitamin-D-Präparate einnehmen, um einem Vitaminmangel vorzubeugen.

Weiterführende Informationen

International Porphyria Network

| Von: Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Daniela Grimm